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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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bis er auflegte und wiedergab, was er erfahren hatte: »Bonhoff ist nicht aufzutreiben.«
    »Wie geht das? Ich denke, seine Fahrmarke wurde abgegeben.« Andrea wirkte wütend, aber sehr beherrscht, während Anke das Gespräch aus sicherer Distanz beobachtete. Sie wäre nicht so geduldig mit diesem Mann. Deshalb überließ sie diese Verhandlungen lieber der Kollegin.
    Doch langsam wurde auch Andrea nervös. Mit lauter Stimme fragte sie: »Wie zuverlässig sind diese Fahrmarken überhaupt?«
    »Absolut zuverlässig! Ich verstehe das auch nicht.«
    »Versuchen Sie es nochmal!«
    Nur widerwillig rief der Mann erneut unten an. Die Auskunft war die gleiche.
    Einer Eingebung folgend trat Anke aus ihrer Ecke hervor und befahl: »Okay! Dann rufen Sie bitte Anton Grewe aus!«
    »Warum?«
    »Tun Sie’s!«
    Verwirrt tat der Mann, was die Polizistin verlangte. Doch auch dieses Mal erreichte er die gewünschte Person nicht.
    »Wer geht dort unten an den Apparat?«, wollte Anke wissen.
    »Schorsch, der Steiger«, lautete die Antwort. »Und der muss es ja wissen.«
    »Sagt er, dass Anton Grewe nicht unter Tage ist?«
    »Nein, er sagt, dass Tony gerade auf dem Abortkübel ist.«
    »Auf dem Abortkübel?«, wiederholte Anke begriffsstutzig.
    »Das Klo«, erklärte Andrea.
    »Aber das ist doch kein Grund, den Mann nicht ans Telefon zu rufen.«
    »Doch«, widersprach der Beamte. »Die Abortkübel befinden sich immer weit vom Stoß entfernt, in dem die Männer gerade arbeiten. Das würde dauern, ihn dort aufzutreiben.«
    »Dann richten Sie dem Steiger aus, er soll Anton Grewe über Tage schicken, sobald er vom Abortkübel zurückgekehrt ist.«
    Frustriert verließen Anke und Andrea das Gebäude.
    »Das gefällt mir nicht«, gab Anke zu. »Kann es sein, dass Grewe dort unten in Gefahr schwebt?«

    Grewe war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass ihn die Störungsmeldung der Grubenwarte durch den Strebfunk zusammenzucken ließ. Die Durchsage lautete, dass der Kohlenbunker auf der vierten Sohle voll war, weshalb der Kohleabbau für eine Weile eingestellt werden musste. Die Frage, wie es möglich sein konnte, dass ein Mann elf Jahre im Verborgenen lebte, ließ ihn nicht los. Ohne Tageslicht und ohne Kontakt zu anderen Menschen. Niemals! Also musste Fechter einen Schlupfwinkel gefunden haben, durch den er unbemerkt die Grube verlassen konnte.
    Aber wie hing dieser Geist mit dem Drogenhandel zusammen? Ein Drogenbaron könnte sich doch bestimmt ein feudaleres Leben leisten. Als gesuchten Mörder konnte er ihn sich besser vorstellen. Sogar ein Motiv fiel Grewe ein. Vermutlich hatten die Männer Karl Fechter und Winfried Bode töten wollen. Doch das war schiefgelaufen, als diese Wand einbrach. Winfried Bode wurde von dem schweren Geröll tödlich getroffen. Fechter entkam. Und dann begann er seinen Rachefeldzug.
    Grewe fröstelte.
    Das passte verdammt gut. Deshalb war dieser Mann nicht zu fassen. Deshalb waren diese Verbrechen nicht als solche erkannt worden.
    Nur warum hatte er es darauf ankommen lassen, dass diese Serie von Morden nicht mehr geheim blieb? Der spektakuläre Tod von Peter Dempler hatte sämtliche Sicherheitsbehörden wachgerüttelt. Wollte das Phantom gefasst werden?
    Grewe schüttelte den Kopf. Er erkannte, dass seine Theorie lückenhaft war. Denn auch die Einbrüche konnte er diesem Phantom nicht anhängen.
    Er schaute sich um und stellte fest, dass er allein war. Die Kameraden hatten die Störungspause genutzt und waren verschwunden. Grewe ahnte, wo sie steckten. Auf der fünften Sohle, wo sie ihren Geschäften nachgingen.
    Er war inzwischen eine ganze Arbeitswoche hier unten und hatte noch keine Ergebnisse vorweisen können. Das wollte er heute ändern. Ohne Zögern setzte er sich in Bewegung und steuerte den Bandberg an. Das Band stand still, also musste er den ganzen Weg nach oben laufen. Schon von weitem hörte er die Stimmen der Kameraden. Sie stritten sich. Nun kam es ihm zugute, dass das Band keine Kohle in den Trichter beförderte. Denn dadurch war es so still, dass er jedes Wort verstehen konnte. In sicherer Entfernung schaltete er die Lampe an seinem Helm aus, damit ihn der Lichtstrahl nicht verriet. Die letzten Meter bis zum Ende des Tunnels legte er auf Zehenspitzen zurück. Die Stimmen wurden immer deutlicher, bis er jedes Wort verstand.
    Das war ein Erfolg, dachte er zufrieden.
    Doch was er dann hörte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er hoffte, sich verhört zu haben. Aber das hatte er nicht.

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