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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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weiterfährt. Aber Siggi hat nichts dergleichen gemeldet.«
    »Aber irgendwie ist der Mann an das Seil geraten.« Schnur warf einen Blick durch die Gitter auf das Stahlseil und fügte an: »Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass jemand an einem solchen Seil aus Versehen hängenbleibt.«
    »So unwahrscheinlich ist das nicht«, widersprach Remmark. »Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie die einzelnen dünneren Seile, aus denen das dicke Führungsseil zusammengesetzt ist.«
    Schnur nickte.
    »Die heißen Litze. Manchmal passiert es, dass sich eine Litze ablöst. Dann ragt sie aus dem Seil wie ein fingerdicker Dorn. Und der besteht aus stabilem Stahl. Daran kann ein Mensch hängenbleiben.«
    »Und wie?«
    »Mit dem Lampengürtel zum Beispiel.«
    »Aber wie ist er dorthin gekommen?«
    »Vielleicht ist er tatsächlich durch das Gitter geklettert und wollte über die Fahrten im Schacht nach oben. Dabei wurde er ohnmächtig.«
    »Diese Leitern befinden sich also innerhalb des Schachtes?«
    »Ja. Die sind für Notfälle, wenn der Korb mal ausfällt oder mitten in einer Fahrt stehen bleibt. Das ist schon mal vorgekommen, als hier noch mehr los war. Früher haben wir hier noch mit mehreren Hundert Mann gearbeitet. Da fuhren die Körbe mit Menschen und Material ständig rauf und wieder runter. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Betrieb hier mal geherrscht hat.« Remmark schnappte wieder nach Luft. Als niemand auf seine Worte reagierte, sprach er weiter: »Mit 3000 Mann haben wir täglich 6000 Tonnen nach oben befördert. Das waren noch Zeiten. Doch im Laufe der Jahre wurden immer weniger Bergleute beschäftigt. Den Rest kennen Sie ja.«
    »Ich habe genug gesehen. Leider müssen wir den ganzen Weg wieder zurück, weil der Gustavschacht noch gesperrt ist«, murrte Schnur.
    Remmark steuerte den Zug an, der bereits auf sie zu warten schien.

    Schon wieder spürte Andrea Westrich die prüfenden Blicke der Männer, während sie sich ihre langen Haare zurückband. Sie suchte Arthur Hollinger, der die Besucher des Erlebnisbergwerks betreute. Nach der Bergung der Leiche war er erstaunlich schnell aus ihrem Blickfeld verschwunden, obwohl alle aufgefordert waren, den Platz nicht zu verlassen.
    Eine Windböe traf sie so heftig, dass sie gegen einen kleinen Mann stieß, der diese Begegnung sofort mit einem freudigen Grinsen kommentierte. Andrea schaute auf und sah ein rundes Gesicht, das voller Kohlenstaub war. Sie konnte nicht anders, sie musste ebenfalls lachen.
    »Glückauf!«, rief der Mann mit rauer Stimme gegen den Wind.
    »Glückauf!«, erwiderte Andrea, die sich den Bergmannsgruß ebenfalls angeeignet hatte.
    »Wen suchen Sie?«
    »Arthur Hollinger, den Touristenführer des Erlebnisbergwerks.«
    »Der ist in die Kaffeeküche gegangen«, rief der Mann. »Wer Addi kennt, weiß, dass er immer beim Essen ist, wenn er mal nichts zu tun hat. Und das kommt oft vor.« Der Bergmann lachte.
    Andrea bedankte sich und machte sich auf den Weg zur Kantine. Der Gedanke an einen Kaffee behagte ihr. Der Wind und die Kälte machten ihr zu schaffen. Sie war für diese Witterung nicht richtig angezogen, weil sie nicht damit gerechnet hatte, an einen Tatort gerufen zu werden.
    Sie öffnete die schwere Tür. Ihr Bick fiel auf eine Theke, die Wurst, Fleisch und Salate in großer Vielfalt anbot. Dahinter entdeckte sie eine Kaffeemaschine – genau das, was sie jetzt brauchte. Doch erst als die Tür hinter ihr zugefallen war, bemerkte sie, wie leise es plötzlich war. Erstaunlich wenig Betrieb herrschte in der Kaffeeküche. Das wunderte sie. Draußen in Wind und Kälte war alles voller Menschen. Und hier in der halbwegs warmen Stube gähnten leere Stühle. Nur ein Mann saß in der hinteren Ecke und biss gerade in ein Wiener Würstchen.
    Andrea bestellte sich an der Theke einen Kaffee und trat auf den Mann zu.
    »Sind Sie Arthur Hollinger?«
    »Der bin ich.« Er schaute auf. Seine dunklen, mit Grau durchzogenen Haare standen wirr vom Kopf ab. Sein Gesicht war gerötet, seine braunen Augen schauten sie fragend an.
    »Sie sind bestimmt von der Polizei«, meinte er und bot ihr an, sich neben ihn zu setzen. Ein Ruf von der Theke verkündete Andrea, dass der Kaffee fertig war. Schnell schnappte sie sich die heiße Tasse und ließ sich neben dem Bergmann nieder.
    »Wissen Sie schon, wer der Tote ist?«, fragte Hollinger.
    Andrea antwortete: »Wir wissen leider noch nicht sehr viel. Deshalb müssen wir einige Fragen stellen.«
    »Das war ein Unfall,

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