Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
Vom Netzwerk:
worden.«
    Kullmann stellte den Kaffee wieder ab, den er gerade trinken wollte, und schaute Schnur überrascht an. Hollinger wechselte die Gesichtsfarbe und sagte nervös: »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Doch, ist es«, bestätigte Schnur.
    »Dann ist das ein Fall für das Bergamt!«
    »Tut mir leid, aber hier liegen die Dinge anders«, widersprach Schnur.
    »Warum das denn?«
    »Weil das Bergamt meine Dienststelle über den Leichenfund informiert hat. Es besteht die Möglichkeit, dass es einer der beiden Männer ist, die damals spurlos verschwunden sind.«
    »Umso besser! Wollen wir?«, drängte der Altkommissar tatenfreudig.
    »Aber nur mit mir zusammen«, erklärte Hollinger. »Ohne einen von uns dürfen Sie nicht einfach unter Tage fahren.«
    »Einverstanden«, stimmte Schnur zu und fügte rasch an: »Der Schacht hier in Velsen ist wieder frei. Also brauchen wir nicht extra über Tage bis zum Warndt zu fahren, um dann wieder unter Tage das ganze Stück zurückzufahren.« Die Erinnerung an die beengte Zugfahrt in tausend Metern Tiefe löste jetzt noch Atemnot in ihm aus.
    Er zeigte Hollinger die Wegbeschreibung, wo der Tote gefunden worden war. Anke hatte sie ihm über das Telefon diktiert. Der ehemalige Bergmann nickte und meinte dazu: »Ich weiß, wo das ist. Dort haben wir vor Jahren eine Gezähekammer abgeschlossen, weil Einsturzgefahr bestand.«
    Wieder betraten sie die Kammer, in der sie erst vor wenigen Minuten ihre Grubenmäntel und Helme abgelegt hatten. Dieses Mal hielt ihnen Hollinger komplette Bergmannskleidung mit Helm, Kopflampe und Filterselbstretter entgegen und sagte: »Ohne diese Sachen dürfen Sie nicht runterfahren. Also ziehen Sie sich hier um, ich warte am Schacht auf Sie.«

    »Ihr bleibt, wo ihr seid!«, befahl Remmark den Auszubildenden vor dem Eingang zur Gezähekammer. »Tony kommt mit mir, das reicht.«
    Grewe bückte sich und kroch zum zweiten Mal durch den niedrigen Gang. Er glaubte, bohrende und strafende Blicke in seinem Rücken zu spüren. Außer seinem Atem und dem angestrengten Schnaufen des Steigers war kein Laut zu hören. Die Stille war die reinste Anklage. Mit Remmark im Nacken fühlte es sich an wie der Gang nach Canossa. Erst als sie direkt vor den Überresten des Toten angekommen waren, fiel das erste Wort: »Scheiße!«
    Es dauerte eine Weile, bis Remmark anfügte: »Was ist hier passiert?«
    Grewe sagte nicht, was er vermutete. Er beobachtete Remmark, der sich den Helm abnahm und am Kopf kratzte. Eigentlich wirkte Remmark genauso, wie Grewe ihn bisher kennengelernt hatte. Eine Beobachtung, die ihn schon fast enttäuschte. Aber was hatte er erwartet? Einen Zusammenbruch in dieser finsteren Höhle? Ein Geständnis in tausend Metern Tiefe?
    Nach einer Weile wandte sich der Steiger um und leuchtete in die Reste des Strebs, der sich hinter ihm erstreckte.
    »Das gibt es doch nicht«, meinte er fassungslos. »Damals hat der Markscheider errechnet, dass hier Kohle sei, und hatte recht. Nur wusste er nicht, dass schon lange alles abgebaut war.«
    »Gibt es keine Pläne, wo die Kohle bereits abgebaut wurde?«, fragte Grewe erstaunt.
    »Schau mal hier, Schlaumeier!«, befahl Remmark grimmig.
    Grewe richtete seinen Blick auf die Stelle, die der Steiger anleuchtete. Dort schimmerte Stahl durch den schwarzen Dreck, der sich an dieser Stelle überall verteilt hatte.
    »Ein Stahlschild«, antwortete Grewe.
    »Eben nicht!« Remmark ließ Grewe zappeln, bis der endlich nachgab und fragte: »Was ist es dann?«
    »Das ist ein Hydraulikstempel eines Ausbaugespanns.«
    Grewe wusste nicht, wovon Remmark sprach.
    »In den sechziger Jahren gab es noch keine Hydraulikschilde für den Strebausbau. Damals wurde noch mit sogenannten Ausbaugespannen gearbeitet. Das heißt, anstelle der heutigen Schilde wurden damals Stempel als Stützen eingesetzt, die mechanisch dem Kohleabbau folgten, so wie das heute die Schilde automatisch machen.«
    »Das heißt also, dass dieser Streb schon sehr alt ist«, erkannte Grewe und bekam noch nachträglich eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dort hindurchgekrochen zu sein.
    »Richtig!« Remmark nickte. »Dieser Bereich wurde von den Franzosen abgebaut und die haben den Gespannausbau stehen lassen – was schon mal vorkommt, wenn er alt und verschlissen ist. Vermutlich haben die Franzosen dort abgebaut, ohne es im Kartenwerk zu registrieren.«
    Plötzlich wurden sie auf Geräusche aufmerksam, die nicht dorthin gehörten. Sie schauten sich erschrocken um.
    Grewe

Weitere Kostenlose Bücher