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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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warf einen Blick auf Kullmann, der in der hellbeigen Jacke wie ein Ball aussah. Doch in seinem Gesicht konnte er nicht die geringste Spur von Unsicherheit erkennen. Der alte Meister schien sich regelrecht darauf zu freuen, in die Tiefe zu gelangen.
    Hollinger auf der anderen Seite sah hingegen so grimmig aus, als würde er überlegen, die beiden Polizeibeamten während der Fahrt nach unten zu erschlagen. Diese Abneigung stachelte Schnurs Neugier nur noch mehr an.
    Auf der fünften Sohle hielt der Korb an. Sie stiegen aus.
    Zum Glück mussten sie von dieser Seite aus nicht in einen Zug steigen, um an den Fundort zu gelangen. Das erleichterte Schnur und ließ ihn tief durchatmen.
    Die Strecke, die sie gingen, schien endlos zu sein. Die Schweigsamkeit, die zwischen den drei Männern herrschte, wirkte bedrückend. Immer wieder schaute Schnur an die Decke, an der die Neonröhren hingen. Das Licht gab ihm ein gutes Gefühl. Nach einer Weile hörten sie in der Ferne laute Stimmen. Sehen konnten sie nichts.
    Je näher sie kamen, umso deutlicher wurden die Stimmen, bis sich eine Gruppe von Männern aus der Dunkelheit herausschälte. Die Grubenwehr war bereits vor Ort und hatte den Betriebspunkt für die Bergung freigegeben. Neben ihnen standen Michael Bonhoff und Paolo Tremante und diskutierten.
    »So trifft man sich wieder«, stellte Tremante fest, als er den Kriminalhauptkommissar erkannte.
    »Tja. Die Arbeit ruft.«
    »Sie sollten zum Bergmann umschulen«, feixte Tremante. »Dann können Sie jeden Tag hier runterfahren und arbeiten. Es scheint Ihnen bei uns ja gut zu gefallen.«
    Schnur überging diese Bemerkung und steuerte die Tür an. Als er sah, wie niedrig der Gang war, wurde ihm schlecht.
    Kullmann stellte sich neben seinen Nachfolger und meinte: »Da muss man ja auf allen Vieren klettern.«
    »Das ist mein geringstes Problem«, gestand Schnur mit kalkweißem Gesicht.
    »Und mein größtes! Mein alter, gut gefütterter Körper wird sich bestimmt melden«, meinte Kullmann mit einem Schulterzucken, kniete sich unter Ächzen und Stöhnen und setzte dazu an, durch den Gang zu krabbeln.
    Schnur traute seinen Augen nicht. Kullmann war über zwanzig Jahre älter als er und hatte keinerlei Probleme damit, in dieses finstere Loch zu klettern. Das spornte ihn an. Diese Blöße wollte er sich nun doch nicht geben. Rasch bückte er sich und gab sich alle Mühe, den Altkommissar einzuholen, damit er als erster am Fundort ankam.
    Obwohl es für Kullmann anstrengend war, musste der Alte lachen, als er Schnur an sich mit entschlossener Miene vorbeirobben sah.
    Die Dunkelheit nahm zu. Trotz der Lampen an den Helmen.
    Schnur versuchte, diese Tatsache zu übersehen und krabbelte weiter. Wieder hörte er Stimmen, ohne etwas zu sehen. Er hielt an und leuchtete die Enge ab. Da erkannte er eine eingestürzte Wand. Steinbrocken in verschiedenen Größen lagen verstreut einige Meter vor ihm. Das musste der Ort sein, an dem der Tote gefunden worden war.
    Hurtig kletterte er weiter.
    »Wen sehe ich …«, hörte er eine bekannte Stimme. Er erstarrte vor Schreck und hielt inne. Hoffentlich verplapperte sich Anton Grewe nicht.
    Doch mehr kam nicht. Das nächste, was Schnur hörte, war die Stimme von Remmark, der Grewe unfreundlich fragte: »Was wolltest du gerade sagen?«
    Dann hörte er Grewe sagen: »Ich wollte fragen, wenn ich richtig sehe, hast du nicht die Grubenwarte angerufen.«
    Das ließ Schnur aufatmen. Der Kollege hatte sich also rechtzeitig wieder gefangen. Und Schnur erkannte an sich selbst, dass diese Beobachtung ihn aus seiner Klaustrophobie herausgerissen hatte. Das war das erste Mal, dass er in einer solchen Situation keine Beklemmung gespürt hatte. Motiviert krabbelte er durch das Loch, das sich durch den Einsturz der Wand gebildet hatte, hindurch und stellte fest, dass es auf der anderen Seite noch düsterer war.
    Vorbei die Motivation. Seine Atemnot meldete sich wieder.
    Kullmann zwängte seinen fülligen Körper unter Stöhnen hindurch. Als er neben Schnur ankam, meinte er betroffen: »Hier kann man auch nicht stehen, so niedrig ist die Decke.«
    »Tja. Wenn ich gewusst hätte, dass die hohen Herren der Kriminalpolizei schon vor dem Bergamt eintreffen, hätte ich diesen Ort natürlich festlich hergerichtet«, kam es von Remmark. »Jetzt könnte es passieren, dass Sie mehr Luft verbrauchen, als wir hier haben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Kullmann schnaufend. Gerne hätte er mehr Strenge in die Stimme gelegt,

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