Blutige Seilfahrt im Warndt
staunte nicht schlecht, als er Jürgen Schnur herankriechen sah. Sein Gesicht war kalkweiß unter dem Helm und ein Schweißfilm hatte sich auf seiner Oberlippe gebildet.
»Wen sehe ich …« Er hielt inne. Um ein Haar hätte er sich verraten.
Remmark riss den Kopf herum und starrte prüfend auf Grewe. »Was wolltest du gerade sagen?«
»Ich wollte fragen«, stammelte Grewe, »wenn ich richtig sehe, hast du nicht die Grubenwarte angerufen.«
»Doch«, meinte Remmark und beruhigte sich sofort wieder. »Aber wie es aussieht, haben die meine Informationen neben dem Bergamt auch an die Kripo weitergegeben.«
»Kripo?« Grewe tat erstaunt.
»Ja. Ich kenne diesen Mann. Er hat hier herumgestochert, als Pitt umgekommen ist.«
Anke erkannte, dass sie aus der Übung war. Sie wusste zunächst nicht, wo sie anfangen sollte, zu suchen, bis ihr das Einwohnermeldeamt einfiel und sie ihre Recherche am PC begann.
Die Tatsache, dass ein Toter in der Grube Warndt gefunden worden war – noch dazu ein Mann in Bergmannskleidung, der schon mumifiziert war – spornte sie an. Alles sah danach aus, als würde dieser Fall Fahrt aufnehmen. Und das an dem Tag, an dem Anke nach langer Zeit ihren Dienst wieder antrat. Das konnte sie gut gebrauchen, denn Motivation war genau das, was ihr an diesem Morgen gefehlt hatte. So, als hätte ihr das Leben zu Hause besser gefallen.
Ein Klopfen, die Tür ging auf und Erik kam mit einer Kaffeekanne herein. Sofort erkannte sie die nächste gute Seite ihres Jobs. »Wie habe ich das vermisst«, stellte sie mit einem Leuchten in den Augen fest.
»Und ich erst«, gab Erik zu und schenkte in die von Anke gereichten Tassen ein.
»Bist du immer noch für den Kaffee in unserer Abteilung zuständig?«, fragte Anke.
»Nein. Das hat Andrea übernommen. Aber für dich will ich eine Ausnahme machen.«
Anke lächelte verlegen. Sie beobachtete Erik, ob er etwas gemerkt haben könnte. Seine Mimik war schwer zu deuten. Rasch trank sie von ihrem Kaffee und verbrannte sich den Mund.
»›Vorsicht heiß‹ hätte ich wohl vorher sagen müssen«, neckte Erik, worüber beide herzhaft lachten.
Es verging eine Weile, bis Erik sagte: »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
»Jetzt bin ich es auch.«
»Jetzt?« Erik stutzte. »Vor ein paar Minute noch nicht?«
»Nein. Jürgens Verhalten hat mich geärgert. Als Chef hätte er sich doch ein bisschen mehr einfallen lassen können.«
Erik verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und erklärte: »Jürgen hat wohl Ärger mit der Staatsanwältin. Das bringt ihn mehr aus dem Konzept, als er erwartet hätte.«
»Was meinst du damit?«
»Ich glaube, dass ihm seine Frau mit Scheidung droht.«
»Oh!« Anke erschrak. »Das ist natürlich ein Hammer.«
»Was hast du inzwischen über Tim Fechter herausgefunden?«, lenkte Erik schnell ab.
»Immerhin, dass ich mal beim Einwohnermeldeamt anfangen könnte zu suchen«, gab Anke zu, wofür sie einen erstaunten Blick erntete.
»So weit bist du schon? Da muss ich mich aber beeilen, um das noch aufzuholen.«
»Du bist ganz schön übermütig«, tadelte Anke. »Immerhin bin ich aus der Übung.«
»Ich hoffe, nicht allzu lange. Wenn wir Jürgen weiter als Chef haben wollen, wäre es nicht schlecht, wenn er mit guten Ergebnissen glänzt.«
»Ich gebe mir ja Mühe!«
»Und auf deinem Zeugnis wird stehen: ›Sie bemühte sich‹«, spottete Erik weiter.
»Du bist nicht nur übermütig, du bist frech«, schimpfte Anke. »Ich sollte dir mal …« Weiter kam sie nicht, als Erik sich über den Schreibtisch beugte und ihr mit einem Grinsen ins Wort fiel: »Au ja!«
Ankes Gesicht fühlte sich heiß an. Was geschah hier?
Auch Erik lehnte sich mit einem verlegenen Räuspern zurück.
Da klopfte es an der Tür und Andrea trat ein. »Stör ich?«
»Nein«, antworteten Erik und Anke wie aus einem Mund.
Erstaunt ließ die dunkelhaarige Frau ihren Blick zwischen den beiden hin und her wandern, bevor sie die Tür hinter sich schloss und fragte: »Schon was von dem Toten gehört, der in diesem mysteriösen Stollen gefunden wurde?«
»Noch nicht«, bedauerte Anke. »Willst du auch einen Kaffee?«
»Gern.«
Schnell kramte Anke eine Tasse aus ihrem Schreibtisch, staubte sie hastig mit einem Taschentuch ab und stellte sie auf den Tisch, damit Erik einschenken konnte.
»Dafür habe ich etwas herausgefunden, was uns das Warten auf neue Nachrichten von Schnur und Kullmann erleichtern wird«, meinte Andrea geheimnisvoll.
»Und was?« Anke und
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