Blutige Stille. Thriller
nicht.«
»Ich verstehe Gottes Willen nicht«, sagt Reuben.
Ich glaube nicht, dass Gott den Mord an den Planks gewollt hat, doch da meine Ansichten nicht gerade beliebt sind bei meinen ehemaligen Glaubensbrüdern, schweige ich lieber. »Würden Sie mir den Gefallen tun und mit einem meiner Kollegen aufs Polizeirevier fahren, damit er Ihre Fingerabdrücke abnehmen kann?«
In einem englischen Polizeiwagen zu fahren ist für Zimmerman kein kleines Opfer, denn es verstößt gegen die
Ordnung
, in der die Regeln der hiesigen Kirchengemeinde festgelegt sind. Doch er nickt. »Ich helfe, so gut ich kann.«
Ich schließe die Autotür und gehe zu meinem Explorer, wo ich den kleinen Koffer mit der kriminaltechnischen Ausrüstung heraushole. Die Ausrüstung ist nicht gerade Hightech und besteht lediglich aus Latexhandschuhen, Plastikhüllen für Schuhe, einem Skizzenblock und Notizbuch, fluoreszierenden Miniaturleitkegeln zum Markieren von Beweisen, einer Rolle Absperrband, ein paar billigen Schnelltests und einer neuen Digitalkamera, deren Anschaffung mir kürzlich vom Stadtrat genehmigt wurde.
Ich finde Glock auf der hinteren Veranda, wo er mit einer Arbeitslampe in der Hand die blutigen Abdrücke für die Spurensicherung markiert. »Konnte Zimmerman helfen?«, fragt er über das Brummen des Generators hinweg.
Ich schüttele den Kopf. »Er hat nichts gesehen.«
»Glauben Sie ihm?«
»Im Moment schon.«
Wir betreten die Küche. Nach der frischen Luft im Freien schnürt mir der Leichengeruch den Hals zu. Ich lege den Koffer auf den Tisch, hole die Mentholsalbe heraus und tupfe sie mir unter die Nase.
Ich biete sie auch Glock an, doch der lehnt wie gewöhnlich mit den Worten ab: »Kann den Geruch nicht ausstehen.«
Normalerweise sorgt dieser Vorgang zwischen uns für Heiterkeit, doch diesmal nicht.
Wir streifen Latexhandschuhe und Schuhhüllen über. Tatorte wie dieser sind für Polizisten ein Albtraum – weiträumig und teilweise im Freien, was das Einsammeln und Konservieren von Beweisen enorm erschwert. Obwohl ich im Moment nicht sicher bin, womit wir es hier zu tun haben – mehrfacher Mord oder Mord-Selbstmord –, will ich auf Nummer sicher gehen und so viel Material sichern wie möglich.
Ich gebe Glock die Kamera. »Fotografieren Sie alles, bevor Sie es berühren. Sie kennen den Ablauf.«
Er nickt und nimmt die Kamera. Wortlos gehen wir durch die Küche zum Wohnzimmer. In der Tür bleibe ich stehen und leuchte mit der MagLite auf Amos Plank.
»Sieht schlimm aus«, sagt Glock.
»In der Scheune noch schlimmer.«
Er sieht mich fragend an.
Ich erzähle ihm von den beiden Mädchen.
»Verdammt.« Er registriert sofort Planks ungefesselte Hände, die kurze Entfernung zwischen Waffe und Leiche, die Austrittswunde im Hinterkopf. Wie jeder gute Polizist zieht er Schlüsse daraus. »Glauben Sie, er war’s?«
»Ich weiß es nicht.« Ehrlicher kann ich nicht antworten. Dem Augenschein nach ist Plank durchgedreht, hat seine Familie ermordet und sich dann den Pistolenlauf in den Mund gesteckt und abgedrückt. Der amische Teil meines Selbst, der fest in mir verwurzelt ist, auch wenn ich mich noch so weit vom Amischsein entfernt habe, kann sich nicht vorstellen, dass ein amischer Mann – ein amischer
Vater
– seiner Familie so etwas antut. Zugegeben, ich habe Amos Plank nicht gekannt. Doch ich kenne die Kultur der Amische und weiß, dass Gewalt nicht dazugehört.
Während Glock Fotos macht, laufe ich im Wohnzimmer umher und versuche, mir den Tathergang vorzustellen. Ich studiere die Position der Leichen, die Wunden, die Entfernung zwischen Amos Plank und der Beretta.
»Was hast du getan?«, flüstere ich.
In einem kleinen Raum mit drei Toten zu sein, die gewaltsam gestorben sind, ist sehr bedrückend. Wie durch einen Schleier registriere ich, dass Glock Fotos schießt. Ich sehe das Blitzlicht der Kamera, höre das Klicken und Summen des Verschlusses, das Surren der Batterie zwischen den Aufnahmen.
»Chief.«
Glock kniet am Boden und schießt ein Foto.
»Hier ist ein Teilabdruck.« Er macht eine zweite Aufnahme.
Ich hole einen Stift zum Markieren der Beweise aus der Jackentasche.
»Reichlich Profil.«
»Sieht aus wie ein Stiefel. Von einem Mann. Größe neun oder zehn.«
Ich hebe die Augenbrauen. »Sie sind gut, Glock.«
»Sagt meine Frau auch.«
Wir lächeln uns kurz an, und ich bin froh, dass er mir hilft, das alles hier nüchterner zu betrachten. Ich gehe neben ihm in die Hocke und sehe mir den
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