Blutige Stille. Thriller
fällt mir ein.
»Nicht gerade leicht, sich da aufzuhalten, wenn noch nicht saubergemacht ist.«
»Vielleicht hat er ja doch beschlossen, es selbst zu machen.«
Mit Blick in den Rückspiegel wendet Tomasetti den Wagen um hundertachtzig Grad. »Ist jedenfalls einen Versuch wert.«
Fünf Minuten später parken wir neben Planks Buggy – und direkt hinter Aarons Camry.
»Gut gedacht«, sagt Tomasetti.
Ich blicke zum Farmhaus, wo die Küchengardinen aus dem offenen Fenster wehen. »Sieht aus, als würde er lüften.«
»Oder saubermachen.«
»Komm, mal sehn, wer recht hat.«
Wir steigen aus und gehen zur Tür, begleitet von Vogelgezwitscher und dem Rascheln der trockenen Blätter im Wind. In der Weide nahe der Scheune stehen etwa ein Dutzend Kühe. Es scheint alles so friedlich – und doch wurde vor drei Tagen genau an diesem Ort eine siebenköpfige Familie ausgelöscht.
Ich gehe die Treppe hinauf und klopfe. Musik dringt durch das offene Fenster nach draußen, klassische Gitarre mit spanischem Einschlag. Ich warte eine Weile und will gerade noch einmal klopfen, als ein Riegel zur Seite geschoben wird.
Aaron Plank öffnet die Tür nur wenige Zentimeter und blickt mich durch den Spalt an. Obwohl ich wirklich nicht viel sehen kann, ist mein erster Gedanke, dass er in seinem seidenen Paisley-Morgenrock in dieser amischen Küche absolut fehl am Platz ist. Seine Haare sind wirr, seine Wangen gerötet, und er ist barfuß.
»Kann ich Ihnen helfen?« Kein Lächeln. Keine Herzlichkeit. Offensichtlich haben wir ihn bei etwas gestört, bei dem er nicht gestört werden will. Was natürlich sofort meine Neugier weckt.
»Ich habe noch ein paar Fragen«, sage ich.
Plank sieht von mir zu Tomasetti, der ein paar Schritte hinter mir steht, rührt sich aber nicht vom Fleck. »Im Moment ist es etwas schlecht.«
»Ich verstehe«, erwidere ich. »Aber es dauert nur ein paar Minuten.«
Er blickt schnell zur Seite. »Ich bin gerade mit etwas beschäftigt.«
»Das sind wir auch«, schaltet Tomasetti sich ein. »Mit einem Mordfall nämlich. Jetzt machen Sie die Tür auf und reden Sie mit uns.«
Aarons Mund verzieht sich zu einer schmalen Linie, dann schwingt die Tür wie von selbst auf. Beim Zurücktreten zieht er den Gürtel des Morgenrocks enger. »Ich kann aufs Revier kommen.«
»So lange können wir nicht warten.« Ich trete in die Küche. Der Duft von Wachskerzen und Kaffee vermischt sich mit der frischen Luft, die durchs Fenster hereinbläst. Auf dem Unterschrank und in der Spüle stapelt sich Geschirr, auf der Ablage stehen eine Flasche Wein und zwei langstielige Gläser. Da wird mir klar, dass Aaron nicht alleine ist, und sofort verspüre ich jenes Kribbeln im Nacken, wenn man weiß, dass man beobachtet wird, aber nicht, von wem und warum. In der Einfahrt steht kein weiteres Auto, aber ich bin sicher, dass er Besuch hat.
»Wer ist noch bei Ihnen?« Tomasetti fragt nicht lange drum herum.
Ich gehe mit gespitzten Ohren zum Wohnzimmer, wo auf dem Tisch ein Dutzend brennende Kerzen stehen.
Aus einem altmodischen, batteriebetriebenen Radiorecorder erklingt eine klassische Gitarre.
»Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.«
Tomasetti und ich blicken zur Treppe, wo ein dunkelhaariger junger Mann gerade herunterkommt. Er hat hellbraune Augen, und seine Bartstoppeln haben genau die richtige Länge, um en vogue zu sein. Er muss sich nicht vorstellen, ich weiß auch so, dass er Aaron Planks Liebhaber ist.
»Ich heiße Rob Lane.« Er kommt mit ausgestreckter Hand auf uns zu. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich wünschte nur, es wäre unter anderen Umständen geschehen.«
Tomasetti stellt sich vor und schüttelt ihm die Hand.
Ich mache einen Schritt vor und begrüße ihn ebenfalls. »Wir haben telefoniert«, sage ich.
»Natürlich.« Robs Gesichtsausdruck wird ernst. »Ich konnte es nicht glauben, als Aaron mir erzählte, was mit seiner Familie passiert ist. Besonders, weil sie Amische waren, und dann in so einer kleinen Stadt.«
»Als wir miteinander sprachen, haben Sie nicht erwähnt, dass Sie nach Painters Mill kommen würden.«
»Da hatte ich es auch noch nicht vor.« Er verzieht das Gesicht. »Aber Aaron ist natürlich vollkommen erschüttert. Er hat mich gebeten, übers Wochenende herzufliegen.«
Aaron steht in der Küche und schenkt zwei Gläser Rotwein ein. Ich gehe zu ihm. »Können wir irgendwo reden?«, frage ich. »Allein?«
Er bedenkt mich mit einem missbilligenden Blick, marschiert an mir vorbei und
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