Blutige Stille. Thriller
mit einer Heugabel auf Ihren Vater eingestochen?«, fragt Tomasetti.
»Ich war siebzehn Jahre alt! Er war … ignorant. Er hat nicht …
wollte
nicht verstehen. Ich habe die Beherrschung verloren!«
»Selbstbeherrschung scheint mir immer noch Ihr Problem zu sein«, erwidert Tomasetti. »Ich wette, im Moment würden Sie liebend gern mit einer Heugabel auf mich losgehen.«
Aaron schleudert das Weinglas auf den Boden, nur Zentimeter von Tomasettis Fuß entfernt. Wein spritzt, Scherben fliegen. Tomasetti zuckt nicht einmal mit der Wimper.
»He.« Rob tritt zwischen Tomasetti und Aaron, wie ein Ringrichter, der nach einem besonders schweren Schlag den Kampf beendet. »Hört auf, Leute, das ist alles sowieso schon zu weit gegangen.«
»Und wird noch weiter gehen, wenn Sie uns wieder anlügen.« Tomasetti zeigt mit dem Finger auf Aaron. »Haben Sie das gehört?«
Aaron macht einen Satz auf Tomasetti zu, doch Rob erwischt ihn am Arm und hält ihn zurück, bevor ich eingreifen muss. »Diese Unterhaltung ist beendet«, fährt Rob ihn an.
Tomasetti besitzt die Unverfrorenheit, belustigt dreinzuschauen. »Sie sollten lernen, sich zu beherrschen, Aaron. Oder wollen Sie der Polizei unbedingt demonstrieren, wie gewaltbereit Sie sind?«
»Fick dich!«, schreit Aaron ihn an.
»Es reicht.« Ich stelle mich vor Aaron, sehe ihn scharf an. »Reißen Sie sich zusammen«, sage ich, und an Tomasetti gewandt: »So kommen wir nicht weiter.«
Der dreht sich missmutig um und geht weg. Böser Bulle. Es wird Zeit, dass ich wieder selbst agiere. Ich sehe Aaron an, und etwas in den Augen dieses geplagten jungen Mannes berührt mich so tief, dass ich es am liebsten nicht wahrhaben würde. Doch Aaron Plank und ich haben mehr gemeinsam, als er sich vorstellen könnte. Und diese Gemeinsamkeiten beschäftigen mich unbewusst, seit ich von seiner Exkommunikation weiß.
»Kommen Sie.« Ich zeige auf die Küche.
Ich gehe voraus, Tomasettis und Rob Lanes Blicke im Rücken, Aarons Schritte hinter mir. In der Küche drehe ich mich zu ihm um. »Sie tun sich nicht gerade einen Gefallen.«
Er lacht höhnisch. »Sie spielen also den guten Bullen.«
»Sie gehören nicht zu den Verdächtigen.«
»Warum schikanieren Sie mich dann?« Er holt ein neues Weinglas und schenkt sich den Rest vom Merlot ein.
»Weil Sie uns Informationen verschwiegen haben, die vielleicht hilfreich gewesen wären«, erwidere ich ruhig. »Was verschweigen Sie uns denn sonst noch?«
Er blickt weg, führt das Glas zum Mund und nimmt einen viel zu großen Schluck. »Ich habe gehört, dass Sie auch mal eine Amische waren«, sagt er. »Stimmt das?«
»Ja. Vor langer Zeit.«
»Dann wissen Sie auch, dass Klatsch zu den Lieblingsbeschäftigungen der Amischen gehört«, sagt er. »Und dass sie manchmal ein Haufen voreingenommener Arschlöcher sind.«
»Wen wollen Sie schützen?«, frage ich rundheraus.
»Niemanden.«
»Ist es Mary? Hat sie Dinge getan, die sie nicht hätte tun sollen? Versuchen Sie, ihr Ansehen zu schützen? Die Erinnerung an sie? Was?«
Er blickt auf das Weinglas in seiner Hand.
»Aaron, Sie müssen mit mir reden. Wir versuchen herauszufinden, wer Ihre Familie umgebracht hat. Wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es jetzt sagen.«
Langsam hebt er den Kopf und sieht mich an. »Ich weiß, dass es nach allem, was passiert ist, unwichtig scheint, Chief Burkholder. Aber ich will nicht, dass irgendjemand erfährt, was ich Ihnen jetzt sage, besonders nicht die Amisch-Gemeinde. Mary wollte nicht, dass ihr Ansehen beschädigt wird, das war ihr sehr wichtig. Sie würde nicht wollen, dass man über sie redet. Und auch nicht über
Mamm
und
Datt
.«
Meine Antwort ist so ehrlich wie möglich. »Ich werde mich bemühen, dass das, was Sie mir erzählen, nicht an die Öffentlichkeit dringt.«
Mit zittriger Hand stellt er das Glas ab. »Vor ungefähr einem Monat habe ich einen Brief von Mary bekommen.«
Diese Eröffnung lässt mein Herz schneller schlagen. »Was stand darin?«
»Sie wollte der amischen Lebensweise den Rücken kehren. Sie bat mich um Hilfe.«
»Was war der Grund dafür?«
»Sie sagte, sie passe nicht hierher, könne sich nicht einfügen.«
Ich weiß, da ist mehr. »Hat sie einen Freund erwähnt?«
Sein Blick wird misstrauisch. »Sie wissen davon?«
»Sie hat Tagebuch geführt. Ich habe es in ihrem Zimmer gefunden und gelesen.«
»Ein Tagebuch?« In seinen Augen lese ich eine große Sympathie für seine Schwester. »Kann ich es sehen?«
»Wenn ich den
Weitere Kostenlose Bücher