Blutige Vergeltung
„Oh, Fuck! Nein, so ein Dreck!“
Ich hielt kaum inne, um mir eine Packung Munition zu greifen, ein frisches T-Shirt und eine neue Lederhose überzuziehen – die Klamotten, die ich eben noch getragen hatte, stanken nach Höllenbrut, Benzin und verbranntem Plastik, genau wie mein Mantel. Nach einem weiteren ordentlichen Schluck Whiskey hechtete ich zur Tür hinaus und rannte los.
Bitte, Gott, lass mich nicht zu spät kommen!
18
Die Straßen First und Alohambra liegen im stinknoblen nördlichen Teil der Innenstadt. Auch wenn ich die meiste Zeit in dunklen Gassen und auf Dächern zubringe, weiß ich, wo ich mir Luxus gönnen kann, wenn mir der Sinn danach steht – wie zum Beispiel exklusive Restaurants, Boutiquen, Kunstgalerien und den Geruch von Geld. Nicht wenige Nachtschatten haben ihre Finger in Nobelgeschäften. Die Reichen können es sich nämlich leisten, für Vergnügungen zu bezahlen, die nicht unbedingt irdisch sind.
Ich rede mir gerne ein, dass das keinen Unterschied macht und dass ich jeden Kriminellen gleichberechtigt verfolge. Doch Gott weiß, ich versuche, bei den Armen ein Auge zuzudrücken und besser auf sie aufzupassen, immerhin sind sie es, die am häufigsten eins reingewürgt bekommen. Wie ging dieser alte Song noch mal? It’s the rich what gets the pleasure, and the poor what gets the blame.
Wie wahr! Die Reichen vergnügen sich, während die Armen es ausbaden müssen. Egal, wie sehr ich mich um ein bisschen Ausgewogenheit bemühe, soziale Ungleichheit wird den Menschen schon in die Wiege gelegt und begleitet sie bis ins Grab.
Du wirst auch immer mehr zur Schwarzmalerin, Jill. Woran das wohl liegt?
Ich kauerte mich auf dem Hausdach nieder und beobachtete den Eingang des Kat Klub, der seit Urzeiten zum Inventar der Innenstadt von Santa Luz gehörte.
So wie er jetzt aussah, gab es ihn schon in den wilden Zwanzigern. Die Normalos halten ihn lediglich für ein Restaurant mit einer Kabarett-Show, das sich gegen Mitternacht in einen Nachtklub verwandelt und entgegen allen Ausschankgesetzen erst kurz vor Morgengrauen dichtmacht. Es ist eine altehrwürdige Einrichtung, die im unteren Teil des Granitklotzes des Piers Towers sitzt, eines der ältesten Wolkenkratzer von Santa Luz. Michail hatte mir einmal erzählt, dass das Gebäude vor langer Zeit eine Mission gewesen war – bevor die Stadt groß genug geworden war, um Höllenbrut anzuziehen.
Eins jedenfalls steht fest: Im Innern dieser Mauern ist von Heiligkeit nichts mehr übrig.
Die Hitze des Tages hatte ebenso wie die Hitze des Whiskeys in meinem Bauch nachgelassen. Ich hockte da und dachte nach.
Wenn ich auf meine übliche Tour dort reinspazierte – mit gezogenen Knarren –, würde ich meinen Vorteil als Totgeglaubte schlagartig opfern. Andererseits, wenn Carp wirklich dort drin war, dann würde er alle Hilfe brauchen können. Und Dämonen würden ohnehin kaum ernsthaft glauben, dass ein brennendes Auto mich erledigen könnte.
Dann kam mir in den Sinn, dass jede Höllenbrut auch wissen sollte, dass eine miese Vogelscheuche nicht mit mir fertigwerden konnte. Kein beruhigender Gedanke. Etwas an der Sache war fauler als die stinkenden Überreste auf meinem Flurboden. – Junge, würde es ein Spaß werden, das wieder wegzukratzen.
Warum trödelst du rum, Jill? Wenn Carp dort reinmarschiert ist, wird ein bisschen Blut nicht ausreichen, ihn wieder rauszuholen.
Ich wog die Alternativen ab. Klare, kühle Logik sprach dafür, einfach abzuwarten und weiter zu beobachten – und wiederzukommen, sobald ich neue Hinweise gefunden hätte. Das hätte den Vorteil, dass gewisse Cops auch weiterhin an mein Ableben glauben würden und ich mir wenigstens keine Sorgen um neue Attacken von dieser Seite machen müsste. So war ich trainiert worden – immer die Vorteile und Wahrscheinlichkeiten abwägen, das Wohl der Allgemeinheit über private Angelegenheiten stellen.
Scheiß drauf. Carper ist da drin!
Man wird kein Jäger, ohne zu wissen, wann man auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen pfeifen sollte.
Langsam stand ich auf und atmete aus. Stell dir einfach vor, du würdest ein Höllenbrut-Loch ausräuchern, Jill. Geh schnell und ohne Erbarmen vor, diesmal hast du Saul nicht an deiner Seite. Aber bevor er auf der Bildfläche aufgetaucht ist, bist du auch allein klargekommen. Meine Finger tasteten nach dem Lederband, das die Narbe abdeckte. Ich löste die Verschlüsse und nahm es ab.
Kalte Luft fuhr mir über die Haut, wie von Hunderten gemeinen
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