Blutige Vergeltung
Messers an seine Kehle hielt, nahm sein Wimmern einen animalischen Klang an, der mir nur allzu vertraut war.
Ich kannte diese kreidehäutige Vogelscheuche von einem Dämon nicht. Er war eindeutig männlich, seine blauen Katzenaugen glühten selbst in dem elektrischen Licht. Du Arschloch hast nicht mal das Licht ausgemacht. Wie bescheuert kann man eigentlich sein?! „Muss ich dir etwa die Kehle durchschneiden?“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Ich wusste, dass er den Hauch meines Atems durch den mattblonden Pony spüren würde. Er blutete dünnes schwarzes Sekret, das eine stinkende Lache auf meinem staubigen Holzboden bildete.
Wenn man die harte Schale erst mal durchbrochen hat, läuft das Böse aus einer Höllenbrut einfach heraus. Und wenn man es mit Silber tut, löst das außerdem eine allergische Reaktion aus. Die Klinge versprühte noch immer silberblaue Funken und antwortete auf die brackige Fäulnis der Hölle, die die Vogelscheuche ausatmete. Er trug ein schwarzes Button-down-Hemd und Designerjeans, aber seine geschundenen, schwieligen Füße waren nackt. Die Zehen waren unmenschlich biegsam und gekrönt von gebogenen gelben Nägeln.
Er rührte sich nicht. Mit all meiner von der Hölle geborgten Kraft drückte ich zu. Die Narbe pulsierte, als sie etwas wahrnahm, das ihrer eigenen Verdorbenheit verwandt war. Der Dämon wimmerte, ein Laut, der tief aus seinem Hals kam. Dann erschlaffte er, und das düstere Dröhnen von Helletöng brauste in meinen Ohren.
„Ich spreche nur Menschisch, Wichser“, wisperte ich schwer atmend. Ich hatte Kopfschmerzen, zwischen meinen Schläfen pochte es. Was für ein beschissener Tag! Jetzt bloß nicht ablenken lassen, Jill. „Beruhigst du dich jetzt?“
Er wand sich versuchshalber ein bisschen hin und her, gab dann aber auf. Ich war darauf vorbereitet und übte Druck auf den gebrochenen Arm aus, rammte beide zertrümmerten Schultern gegen den Boden. Er verlor eine Menge Blut. Lass dir bloß nicht einfallen, abzukratzen, bevor ich rausbekommen habe, wer dein Auftraggeber ist!
Er feuerte eine wahre Salve an Obszönitäten ab, die durch den süßen Tenor seiner Stimme nur umso grässlicher wirkten. Alle Verdammten sind wunderschön – zumindest ist es die Hülle, die sie der Welt vorführen. Eine hässliche Höllenbrut ist mir noch nie untergekommen – mal abgesehen von Perry, und selbst der ist nicht wirklich hässlich.
Hat Perry dich geschickt? „Wer hat dich hergeschickt?“ Ich drückte abermals zu und wurde mit einem schmerzverzerrten Zischen belohnt. Ich spannte die Armmuskeln an, und das silberbestückte Messer presste sich gegen seine verletzte Haut.
Das brutzelnde Geräusch passte perfekt zu dem zischenden Jaulen, womit er seine Qual zum Ausdruck brachte. Es wurde zu einem schrillen, beinahe animalischen Fiepsen, als ich wieder etwas lockerer ließ.
„Ich hab die ganze Nacht Zeit, dich zum Reden zu bringen.“ In meiner Kehle sammelte sich etwas, das zu heiß und zu sauer war, um Wut oder Hass zu sein. Der Gestank trieb mir die Tränen in die Augen, war schrecklich, kolossal, brannte sich mir ins Hirn. Doch ich ignorierte ihn, legte mein Knie an und spannte die Muskeln. „Und ich liebe meine Arbeit, Höllenbrut.“
„Shen“, flüsterte er. „Shenan …“
Heiliger Bimbam! Aber mir blieb keine Zeit mehr, er erbrach sich, und ich verlor in der Pfütze von fauligem Öl den Halt. Ich biss die Zähne zusammen, sammelte meine Kräfte und riss und drehte. Auf eine lässige, fließende Bewegung folgte ein Schwall von sauren Blutspritzern. Sein Schrei wurde zu einem Gurgeln, und sein Widerstand ebbte wieder ab, noch bevor er recht begonnen hatte.
Durch die offen stehende Tür wehte kalte Nachtluft herein, weit reiner als alles hier drinnen. Ich hustete und würgte, meine Augen brannten, als ich mich von dem rasend schnell verwesenden Ding auf dem Boden befreite. Eine junge, gierige blonde Brut, die vielleicht der Meinung gewesen war, etwas beweisen zu müssen.
Aber. Shen. Shenan.
Das konnte nur eines bedeuten.
Shenandoah. Oder, mit der richtigen Betonung: Shen An Dua.
Mit anderen Worten: ernsthaft beschissene, schlechte Neuigkeiten. Wenn man Perry als den unumstrittenen Anführer der Höllenbrut von Santa Luz betrachtete, der sich diese Position durch Mord und Tücke sicherte, dann war Shen die Königin -oder eine Art graue Eminenz. Sie war die heißeste Anwärterin auf Perrys Thron, falls ihm jemals ein Unglück zustoßen oder er zum Softie werden sollte –
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