Blutiger Halloween
Tode gequält. Wer konnte die Angst des Mädchens beschreiben, die es damals empfunden hatte? Diesen grausamen, unerbittlichen Psycho-Terror, unter dem sie gelitten hatte. Niemand wußte es, keiner wollte es wissen, bis auf eine Person. Und die hockte neben dem Sarg und wartete.
Sie hatte alles getan, was getan werden mußte. Beschwörungen, finstere Kräfte angerufen, mit dem Satan gesprochen und einen alten Totenzauber nachvollzogen. Es hatte große Mühe gekostet, den Sarg aus der feuchten Erde zu holen und bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion in dieses Verlies zu schaffen.
Nun lag alles hinter ihr.
»Angela!« Wieder war es das scharfe Flüstern, das über dem offenen Sarg schwebte. »Angela, du mußt mich hören. Du bist nicht tot. Du hast nur gewartet…«
Und Angela reagierte.
Zwölf Jahre war sie alt gewesen, als der Tod sie traf. Und sie sah noch immer so aus wie vor sechs Jahren. Nicht die Spur war sie gealtert, eine kleine zierliche Person, die plötzlich ihre Augen aufschlug und in das Gesicht starrte, das über ihr schwebte.
Blickkontakt! Die Gestalt hielt den Atem an. Sie sah das Zucken der Mundwinkel bei der »Toten« und wußte, daß all ihre Beschwörungen den Erfolg gezeigt hatten.
Angela erwachte…
Eine Tote war zu einer Lebenden geworden, zu einer lebenden Leiche, einem Zombie!
In den Augen der Person leuchtete es auf. Sie hätte schreien können vor Glück und Freude, doch die Kehle war wie zugeschnürt.
»Du bist gekommen?« Die dünne Stimme der lebenden Toten durchbrach die Stille.
»Ja, meine Kleine, ich bin da. Hatte ich es dir nicht am Grab versprochen?«
»Ich… ich erinnere mich nicht.«
»Und jetzt bist du wieder erwacht.«
»Mir ist so kalt…«
Die Gestalt lachte. »Das wird sich bald ändern, wenn das Feuer der Rache durch deine Adern fließt, denn es ist alles dabei, was du brauchst, meine Kleine. Und heute ist Halloween.«
»Halloween?«
»Genau, liebste Angela. Du erinnerst dich doch an dieses schöne Fest mit den Masken?«
Die Antwort erfolgte nicht sofort. Angela überlegte noch. Ihre Lippen bewegten sich. »Halloween?«
»Ja, meine Liebe…«
»Ich habe eine Maske gesehen«, drang es stockend aus ihrem Mund.
»Sie tanzte vor mir, zwischen den Schatten.«
»Die Schatten waren Menschen. Kinder sogar. Deine Mitschüler, kleine Angela. Und sie sind alle heute abend versammelt, um das große Fest zu feiern. Ihr letztes Fest, ihr Abschiedsfest.« Plötzlich änderte sich die Stimmlage der Person. Sie wurde hart, fauchend. »Es soll sie in die Hölle katapultieren.«
»Die Hölle?« hauchte Angela.
»Ja, da sollen sie verrecken, und du, meine Liebe, wirst dafür sorgen. Sie haben dich damals in den Tod getrieben. Du hast lange genug zwischen Würmern und Käfern in der feuchten Erde gelegen. Jetzt bist du an der Reihe. Schlage zurück, Angela! Gib ihnen das, was sie dir gegeben haben, den Tod!«
Angela hörte die Worte. Sie waren ihr regelrecht eingehämmert worden, und sie reagierte darauf. Ihre Arme fuhren hoch. Die Hände mit den spitzen Nägeln umklammerten den Sargrand an beiden Seiten, um den nötigen Halt zu haben.
Sie stemmte sich hoch.
Es geschah marionettenhaft, längst nicht so fließend und flüssig wie bei einem normal lebenden Menschen, und als sie endlich saß, drehte sie den Kopf, um sich im Verlies umzuschauen.
»Suchst du etwas?« wurde sie gefragt.
»Ja.«
Da lachte die andere auf. »Ich habe es dir mit in den Sarg gegeben, als du beerdigt wurdest. Keiner weiß davon, nur ich. Warte, ich hole es eben.«
Die Untote mußte die Beine anziehen Sie lag auf einem hellen Laken, das zwar einige Flecken zeigte, aber sonst völlig in Ordnung war. Zudem hatte man das Laken mehrmals gefaltet, und in einer dieser Falten befand sich das, von dem Angela gesprochen hatte. Die Maske und das Messer!
Zunächst bekam Angela die Maske. Es war die gleiche wie vor sechs Jahren, nur war sie damals von Ronny Wilder gehalten worden, bis zu Angelas Todessprung. Ein ausgehöhlter Kürbis, die so typische Verkleidung für das Halloween-Fest.
»Hier, nimm sie!«
Angela packte zu. Mit beiden Händen umfaßte sie die Maske, hob sie hoch, schaute darunter und sah die Öffnung. »Sie wird dir passen!«
Angela nickte, als sie die Worte vernahm, hob die Maske noch ein wenig an und probierte, ob sie sie über den Kopf streifen konnte. Es klappte.
Kaum saß die Maske bequem, da geschah etwas Unheimliches. Von innen her begann sie zu glühen. Ein geisterhaftes Licht
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