Blutiger Halloween
seine Hand zurück und atmete schwer. »Hast du dir genau überlegt, was du mir da gesagt hast?«
»Ja, das habe ich.«
Ronny Wilder atmete tief ein. »Verdammt«, flüsterte er. »Ich glaube dir nicht, Alte. Du willst mir hier etwas erzählen, das ist alles. Ich kann dir kein Wort glauben…«
»Die Hände und die Linien darin lügen nicht«, wurde ihm mit dumpfer Stimme entgegengehalten.
Ronny verdrehte die Augen. Zudem ballte er die Hände und schüttelte sich. »Wenn du allen anderen auch noch so einen Mist erzählst, darfst du dich nicht wundern, wenn du bald pleite bist.«
»Du solltest über dein Schicksal nicht so arrogant hinweggehen, Junge. Vielleicht kann ich dir noch einen Rat geben, obwohl es nicht meine Aufgabe ist.«
»Raus damit!«
»Laufe weg! Verschwinde! Verlaß diese Schule, denn hier lauert das Unheil!« Sie redete mit leisen, eindringlichen Worten. »Ein unheimlicher Geist lauert über dem Ort. Dieses Fest ist verflucht, ich spüre es genau. Etwas Grauenvolles wird geschehen…«
»Und was ist das?«
»Morde«, sagte die Alte. »Schlimme Morde. Ein Messer, eine Tote, eine Maske…«
»Verdammt, hör auf!« schrie Ronny Wilder. »Rede nicht mehr weiter! Ich kann und will nichts hören.«
Die Alte schüttelte den Kopf. »Du bist jung und verlangst viel vom Leben. Niemand nimmt es dir übel. Aber wenn du dich retten willst, dann geh. Lauf weg…!«
Ronny Wilder stand vor dem Tisch. Er schaute von oben auf den Kopf der Wahrsagerin. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt. »Ich werde gehen«, erklärte er. »Aber ich werde nicht fliehen, das sage ich dir. Und wer sollte hier morden?«
»Ich weiß es nicht…«
Ronny lachte. Es klang unecht. Er wischte sich über seine Stirn, machte noch eine abwehrende Handbewegung, drehte sich um, riß den Vorhang auf und verließ die Bude.
Nach zwei Schritten stoppte er seinen ziemlich heftigen Lauf. Er schüttelte den Kopf, atmete die kalte Luft ein, hustete und spürte die Gänsehaut auf seinem Rücken.
Obwohl er es eigentlich gewollt hatte, die Worte waren bei ihm nicht ohne Wirkung geblieben.
Er würde in der Nacht sein Leben verlieren, so hatte die Wahrsagerin gesprochen.
Wieder dachte er an den Brief, schob seine Hand in die Hosentasche und fühlte zwischen den Fingern das Papier.
Und noch etwas spürte er.
Eine allmählich in ihm hochkriechende Furcht…
***
In den alten Steinen lauerte der Mief vergangener Jahre. Feuchtigkeit hatte sich gebildet und lag als leicht glänzende Schicht auf den Innenwänden. Spinnennetze hingen in den Ecken. In diesem Verlies brannte kein Licht, es wurde nur hin und wieder vom Schein einer Fackel erhellt. Ansonsten war es still!
Kaum jemand wußte von diesem Kellerraum, der unter dem eigentlichen Keller lag. Niemals hatte sich jemand die Mühe gemacht und das Haus genau durchsucht, aber die Person, auf die es ankam, für die war das Verlies ideal.
Nichts war zu hören. Die dicken Mauern schluckten jeden Laut. Auf dem Boden lag der Staub fingerdick, durch den kriechende Käfer hin und wieder ihre Spuren zogen.
Ein unheimliches Verlies, in dem das Grauen zu Hause war. Irgendwann wurde die Ruhe unterbrochen. Schritte näherten sich dem tief in der Erde liegenden Raum. Sie waren als schleichend zu bezeichnen und trotzdem zielstrebig.
Vor der alten Holztür verstummten sie. Etwas klirrte. Ein dünnes Geräusch nur, dennoch zu identifizieren.
Behutsam wurde ein Schlüssel in das Schloß geführt. Ein Kratzen war zu hören, als jemand den Schlüssel herumdrehte.
Jetzt war die Tür offen.
Als sie nach innen schwang, fuhr ein kühler Hauch in den Keller. Er schien aus noch tieferen Regionen zu stammen, und zwar von dort, wo die Toten zu Hause sind.
Hatten Geister den Keller betreten?
Nein, es war kein Geist, der auf der Schwelle stand, sondern eine Gestalt. Sie hielt eine Kerze in der Hand, die auf einer weißen Untertasse stand.
Das Licht der flackernden Flamme füllte den Raum nicht völlig aus, es reichte aber, um den Sarg zu erkennen, der in dem Verlies stand. Ein unheimlicher Gegenstand, und deshalb so schaurig und makaber, weil es sich bei ihm um einen Kindersarg handelte, der weiß gestrichen war. Die Farbe hatte einen fahlen Ton bekommen. An einigen Stellen war sie schon abgeblättert, und in nicht völlig fugendichten Ritzen klebte noch der Schmutz aus dem Grab.
Die Gestalt trat näher. Ihre Hand zitterte, und der Kerzenschein begann zu flackern. Große Schatten malte er an die Wände und ließ
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