Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
vorbei und warf ihnen einen besorgten Blick zu.
»Ja, ja«, wehrte Laura ab. »Mir geht es gut.«
Fabian fiel mit der Tür ins Haus. »Sie sagten eben, Sie wüssten nicht, weshalb sich das Leben lohnt. Ich habe einen Grund für Sie. Sie können Leonie retten.«
»Die junge Frau, die mich gefunden hat? Was ist mit ihr?«
»Keine Ahnung. Aber mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit ist sie irgendwie Ihrer reizenden Verwandtschaft in die Hände gefallen. Sie ist Journalistin und hat über die Mafia recherchiert. Möglicherweise hat sie Alessio dort gesucht.«
»Wie lange schon?« Ihre Stimme war tonlos.
»Seit heute Mittag.«
Er sah, wie Laura mit sich kämpfte. Angst und unbezähmbare Wut wechselten sich in ihrem Gesicht ab. Erpressbar durch Alessios Geburt, hatte sie sich jahrelang an das Gesetz des Schweigens gehalten. Als sie den Kopf hob, ähnelte sie der unbeugsamen Frau, die sie gewesen sein musste, bevor die Gebrüder Cortese sie mürbe gemacht hatten. »Sie sagten, Sie waren in Aichwald?«
»In dem Haus hat nichts darauf hingedeutet, dass jemand gefangen gehalten wird.«
»Das heißt nichts«, wandte Laura ein. »Sie können sie versteckt oder woanders hingebracht haben. Vielleicht lebt sie auch schon nicht mehr. Sie hassen Schnüffler.«
»Wer ist ›sie‹?«, fragte Fabian.
»Mein Schwager. Sein Sohn Mario und jede Menge anderer Männer in wechselnder Besetzung. Und Corrado, genannt Kain, der Sohn meines Mannes.« Mit dem Verzicht auf das Wort Stiefsohn hielt sie die Distanz aufrecht. »Der Clan regelt die Geschäfte im Raum Stuttgart.«
»Und dieser Kain?«
»Er ist der Killer. Er führt die Befehle aus«, sagte sie leise. »Das war Giorgios Aufgabe, und Kain hat sie geerbt. Sie verstehen sich als Soldaten, die im Krieg sind. Und wenn sie töten, ist das eben ein Kollateralschaden.«
Er nickte. Womöglich war Corrado der Turnschuhkiller, der Ölnhausen das Lebenslicht ausgeblasen hatte. »Und Alessio?«
»Er soll … in seine Fußstapfen treten.«
Fabian schluckte und konnte plötzlich verstehen, warum sich Laura das Leben nicht mehr zutraute. Das war mehr, als ein einzelner Mensch ertragen konnte.
»Alessio will das alles nicht. Aber wir haben Giorgio nicht deshalb getötet.« Ihre Stimme war plötzlich leiser als ein Wispern.
Fabians Mund war staubtrocken. Der Geruch des Krankenhauses legte sich ihm plötzlich auf den Magen. Er griff nach einer grünen Mineralwasserflasche und goss Wasser in zwei Gläser, von denen er eines in Lauras Richtung schob. »Trinken Sie!«
»Was ist damals geschehen?«, fragte er, trank einen Schluck und setzte das Glas ab.
Jetzt erst registrierte sie, wie weit sie sich vorgewagt hatte. »Sie werden das gegen mich verwenden«, sagte sie.
»Das kommt darauf an, was Sie mir erzählen. Fakt ist, dass Giorgio Cortese auch gegen Sie handgreiflich geworden ist. Es gibt den Straftatbestand der Notwehr.«
»Tatsächlich.« Sie schaute ihn aus dunklen, unergründlichen Augen an. »Ich fürchte den Clan weit mehr als die Polizei. Wissen Sie, was Blutrache ist?«
»Warum haben Sie nicht schon viel eher bei uns Schutz gesucht?«
Jetzt lachte sie laut auf. Eine alte Frau, die mit ihrem Rollator über den Flur in Richtung des Teekannenwagens unterwegs war, drehte sich irritiert um. »Weil Sie mir nicht geglaubt hätten. Und wenn doch, wie hätten Sie mich schützen können?«
»Es gibt Zeugenschutzprogramme.«
Sie betrachtete ihn mit leisem Spott. »In Baden-Württemberg existiert die Mafia nur als Filmbeitrag. Und die Verwicklungen des Herr Oettinger in Mafiakreise werden unter den Teppich gekehrt.«
Fabian dachte an Herbrechtinger vom Innenministerium und spürte einen Anflug von Scham. »Erzählen Sie, was passiert ist!«
Als sie weitersprach, war ihre Stimme sehr leise. »An dem Tag, als Giorgio starb, ging es ihm nicht gut. Er hatte getrunken, obwohl der Arzt ihm jeglichen Alkohol verboten hatte, war gereizt und kurzatmig. Und immer, wenn er sich mit seiner eigenen Schwäche konfrontiert sah, suchte er sich einen, an dem er seine Wut auslassen konnte.«
»Und das war an diesem Tag Alessio?«
»O nein!« Sie schüttelte den Kopf. »Der war mit ein paar Freunden weg gewesen, und als er zurückkam, hatte mich Giorgio an einen Oberschrank in der Einbauküche geschleudert. Ich muss irgendwie falsch aufgekommen sein, mit der Schläfe direkt auf die Ecke. Als ich aus der Bewusstlosigkeit erwachte, lag ich am Boden. Er kniete über mir und hatte meinen Rock
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