Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
hochgeschoben. Er war – unten herum nackt.«
Fabian beugte sich vor und schüttelte den Kopf. »Er wollte eine bewusstlose Frau vergewaltigen?«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Er hatte getrunken. Da ging es ihm nur noch um Demütigung. Um das, was er im Grunde selbst erfahren hatte. Also kniete er sich auf mich und versuchte, in Fahrt zu kommen.« Sie sah Fabian entschuldigend an. »Ich schäme mich so.«
»Das müssen Sie nicht«, sagte Fabian tonlos.
»Und dann kam Alessio und hat ihn von hinten von mir weggezogen.«
Die Tränen liefen ihr jetzt über das Gesicht, und sie begann, hektisch in ihrer Pyjamatasche nach einem Taschentuch zu suchen. Fabian fand eine zerdrückte Packung in seiner Jacke und reichte sie ihr.
»Alessio sagte, dass es das letzte Mal gewesen sei, dass Giorgio mich geschlagen hätte.« Sie schnäuzte sich lautstark und schaute Fabian dann aus geröteten Augen an. »Giorgio hat sich mühsam aufgerichtet und wollte sich Alessio zuwenden, ihn schlagen, in die Knie zwingen wie sonst immer, ich weiß nicht genau. Aber da habe ich mich aufgerappelt und versucht, ihn bei den Schultern zurückzuhalten.« Sie trank einen Schluck Wasser und fuhr dann fort. »Er riss sich los und schrie auf Italienisch, dass er mich umbringen würde. Und dass er das schon längst hätte tun sollen mit mir. Und wir wussten, dass er keine leeren Drohungen ausstieß. Plötzlich hatte er den Revolver in der Hand, mit dem er immer Russisch Roulette mit Alessio gespielt hatte.«
Fabian hob den Kopf.
»Und dann?«, fragte er.
Laura Cortese schaute ins Leere und sprach jetzt immer schneller. »Er zielte aus nächster Nähe auf mich. Doch da kam Alessio und stellte sich zwischen mich und die Mündung der Waffe. ›Lass das!‹ schrie ich. Er tat nichts, schaute seinen Vater nur voller Verachtung an. Und dann trat er einen Schritt auf den Alten zu und noch einen. Ich dachte, jetzt drückt Giorgio ab. Jetzt erschießt er zuerst Alessio und dann mich. Alessio hat sich genau vor die Mündung der Pistole gestellt und den Alten vor die Brust geschubst. Ich dachte, jetzt ist es so weit. Ich sah meinen Sohn schon sterben. Doch Giorgio taumelte und schnappte nach Luft, fasste sich an die linke Seite und kippte um. Er war auf der Stelle tot.«
Es war so still in dem Flur, dass sie die anderen Geräusche des Krankenhauses hörten. Von Ferne ein leises Ticken, sich öffnende und schließende Türen, die Nachtschwester, die beruhigend auf einen Patienten einsprach. Ein Rettungswagen, der mit Blaulicht und Sirene von der Hirschlandstraße in die Einfahrt der Notaufnahme abbog.
»Das war sicher kein Mord, nicht einmal Notwehr«, sagte Fabian.
»Wenn der Revolver mir in die Hände gefallen wäre, hätte ich Giorgio ohne zu zögern erschossen. Und ich weiß, dass Alessio genau dasselbe denkt und sich die Schuld am Tod seines Vaters gibt.«
»Und die Familie?«
»Die weiß nichts«, sagte Laura. »Und macht sich darum umso mehr Gedanken.«
»Und was wollen die jetzt von Alessio?«
»Loyalität«, sagte sie leise. »Er hat einen Schwur geleistet.«
Fabian verstand. »Und deshalb haben Sie Tabletten genommen?«
»Ach hören Sie auf!«, zischte sie. »Sie wissen nicht genug, um über uns urteilen zu können. Reden wir weiter von Ihrer Freundin! Hören Sie mir jetzt gut zu! Wenn Sie wieder zum Lobenroter Anwesen kommen, seien Sie vorsichtig! Es ist gesichert wie Alcatraz, auch wenn Sie das nicht bemerken. Es gibt einen Schutzraum im Keller. Und wenn Sie schon einmal dabei sind, überprüfen Sie das ›Sotto le Stelle‹!«
Fabian wurde kalt. »Gianluca Battista?«
»Wenn Sie seinen Namen auch nur in einem Atemzug mit meinem denken, bin ich tot. Also machen Sie das alles so unauffällig, wie Sie können! Und so schnell wie möglich! Dem Clan wird die Luft hier zu dünn. Sie werden sich demnächst nach Kalabrien absetzen.«
Laura stand auf und schob ihre schmalen Füße in die Pantoffeln. »Ich hoffe, Sie finden Ihre Freundin nicht in der Waschküche. Die lässt sich am besten säubern, nachdem …«
Fabian hörte nicht mehr zu. Er lief schon den Gang entlang in Richtung Ausgang. Gestern Nacht hatte er seinen Rivalen heimlich durch alle Datenbanken gejagt. Vergeblich. Der Kerl hatte nicht mal ein Knöllchen wegen Falschparkens. Er hatte keine Zweifel gehabt, dass Leonie ihm den italienischen Spitzenkoch vorziehen würde, der sich irgendwann den ersten Stern erarbeiten würde. Und jetzt sollte das schicke »Sotto le Stelle« ein
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