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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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waren die Tage der Trudomania. Wie machen sie den Kanadiern klar, was wirklich gut für sie ist? Also hecken sie diesen Plan aus. Quebec fängt an zu brodeln. Warum es nicht zum Überkochen bringen? Würde dem übrigen Kanada ganz schön Angst einjagen. Und wenn die Leute erst mal sehen, was für ein Schlappschwanz Pierre Trudeau ist, schmeißen sie ihn raus, und wir bekommen einen heißblütigen Konservativen an seiner Stelle. Das war natürlich keine Strategie, müssen Sie wissen. Es war ein »Was, wenn«. Ein Szenario.
    Shackleys Job war es vermutlich, die Machbarkeit auszuloten. Das tun sie in einem Geheimdienst andauernd – Kriegsspiele inszenieren, eine Theorie austesten. Also platziert Shackley einen Spitzel in der FLQ. Er kriegt den Mann haargenau an die richtige Stelle. Und dann, als es gerade so richtig losgehen kann, ziehen sich die Typen um Langley zurück. Sagen ihm Nein danke und nicht Ja bitte. Doch Shackley ist es ernst, sehen Sie, also hält er sich Grenelle auf eigene Faust. Deshalb ist er damals verschwunden, und deshalb war, nach den Entführungen von Hawthorne und Duquette, jeder Cop in Montreal, der nach Daniel Lemoyne und Bernard Theroux suchte, auch hinter Miles Shackley her.«
    »Sie meinen, er hat Grenelle beauftragt, Duquette zu töten?«
    »Und wenn schon?« Sauvé spuckte in seinen Propankocher und löste ein plötzliches Zischen aus, wie ein Knistern im Radio. »Raoul Duquette ist seit dreißig Jahren tot.«

23
     
    C ardinal und Delorme hielten zum Lunch an einer winzigen Imbissstube am Weg, die sich Chez Marguerite nannte. Cardinal hatte sich im Kopf schon seine Bestellung auf Französisch zurechtgelegt, doch als Marguerite – eine riesige Frau mit Brillengläsern so dick wie Aschenbecher – ihre Bestellung aufnahm, lachte sie doch tatsächlich.
    »Wieso hat sie gelacht? Ich dachte, ich hab’s richtig hinbekommen.«
    Delorme schüttelte den Kopf. »Es ist Ihr Akzent. Sie finden den frankokanadischen Akzent komisch, aber glauben Sie mir, das ist nichts gegen einen Anglo, der versucht, Französisch zu sprechen.«
    »Das war’s – ich werde nie wieder ein Wort Französisch reden.«
    »Blödsinn. Sie haben sich tapfer geschlagen.«
    »Albernes Französisch. Und dann wundern sie sich, dass der Rest des Landes genug von ihnen hat.«
    »Hören Sie auf. Sie klingen wie McLeod.«
    »Ich hab nur einen Witz gemacht.«
    Delorme sah aus dem Fenster über die Felder jenseits des Highways. Die Sonne stand noch tief am Himmel, und das Licht färbte ein paar Strähnen in ihrem Haar kupferrot. »Glauben Sie, dass Sauvé die Wahrheit gesagt hat?«
    »Auf jeden Fall war es ratsamer für ihn, die Wahrheit zu sagen. Und alles, was er gesagt hat, passt zu dem, was wir von anderen gehört haben. Ich denke, viel mehr werden wir aus Shackleys Telefonkontakten nicht rausbekommen.«
    Die Eigentümerin brachte ihnen das Essen: Burger für Cardinal und für Delorme eine Platte Poutine – eine frankokanadische Spezialität aus Pommes frites, brauner Soße und gebröckeltem Frischkäse.
    »Gott, Delorme. Wie können Sie das essen?«
    »Lassen Sie mich in Frieden. Ich ess das nur, wenn ich in Quebec bin.«
    »Ach so, ich vergaß, diese sensiblen, verfeinerten frankokanadischen Geschmacksnerven.«
    Delorme sah ihm mit ihren ernsten braunen Augen gerade ins Gesicht. »Sie sollten prendre sagen, wenn Sie Ihr Essen bestellen. Je vais prendre .«
    Sie waren auf dem Highway 20 und hatten gerade den Stadtrand erreicht, als Cardinals Handy klingelte. Die Stimme am anderen Ende war sehr kultiviert, sehr britisch. »Guten Tag. Kann ich wohl bitte mit Detective John Cardinal sprechen?«
    »Am Apparat.«
    »Ah, ich glaube, Sie hatten versucht, mich zu erreichen. Mein Name ist Hawthorne. Stuart Hawthorne.«
     
    Stuart Hawthorne war schätzungsweise Ende sechzig, doch drahtig und energisch. Sein Haar, auf dem Oberkopf dicht und silbergrau, hatte am Hinterkopf über dem Hals noch ein wenig von seiner ursprünglichen Sandfarbe erhalten. Es war aus der Stirn gekämmt und bildete über den Ohren zwei angelegte Flügel. Cardinal war auf einen Nadelstreifenanzug gefasst gewesen, doch natürlich war Hawthorne jetzt pensioniert und hatte daher keinen Grund, sich formell zu kleiden. Er trug ein flauschiges, weißes Hemd mit Button-down-Kragen, eine Khakihose ohne Umschlag und ein Paar Kodiakstiefel. Er schien der Mann zu sein, der sich auf einer Safari, in einem Fernsehstudio oder beim Unkrautjäten im eigenen Garten gleichermaßen

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