Blutiges Eis
Sie keinen haben.«
Von innen war Sauvés Haus in noch schlimmerem Zustand als sein Eigentümer. In den Fenstern klapperten Plastikplatten hin und her und versuchten vergeblich, den Quebecer Winter draußen zu halten. Eine Wand im Wohnzimmer bestand nurnoch aus Streben. Abgebröselter Putz lag im Flur verstreut. Im Wohnzimmer stand ein klumpiges Sofa mit einer Wolldecke, auf der Cardinal und Delorme Platz nahmen. Sauvé setzte sich in einen Sessel, aus dessen einer Lehne die Füllung austrat. Um seine Füße strich eine Katze mit kahlen Stellen im schwarzen Fell.
Sauvé hatte eine Flasche Molson in der Hand und saß schief im Sessel, so dass er mit dem gesunden Auge fernsehen konnte. Das Band war nachts aus verschiedenen Blickrichtungen auf einem Parkplatz gedreht worden. Darauf war Sauvé zu erkennen, wie er aus seinem Lkw stieg und Kisten mit der Aufschrift Verkehrsministerium ablud. Zwei Männer stiegen aus einem Lieferwagen und untersuchten die Kisten, bevor sie ihm einen Umschlag reichten. Sauvé fuhr weg, während sie die Kisten in ihren Lieferwagen luden. Als das Band zu Ende war, schleuderte Sauvé sein Bier quer durchs Zimmer, so dass es an der Wand zerschmetterte. Der Hopfengeruch erfüllte den Raum und mischte sich mit dem Geruch nach Schimmel.
»Gewisse Stellen sind bereit, diese Episode zu vergessen«, sagte Cardinal, »vorausgesetzt, Sie unterstützen uns bei unseren Ermittlungen. Und vorausgesetzt natürlich, dass Sie sofort aufhören, der French-Self-Defence-League Sprengstoff zu verkaufen.«
Sauvé rieb sich die Stoppeln an seinen Wangen. An der Hand fehlten drei Finger. Sein Auge glühte vor Zorn. »Eines wüsste ich gerne, Detective. Bilden Sie sich wirklich ein, es bestünde ein großer Unterschied zwischen den Mounties und den Leuten, die Sie hinter Schloss und Riegel bringen?«
»Bis jetzt sind mir noch keine Mounties begegnet, die ihre Mordopfer an Bären verfüttern. Aber ich führe ein behütetes Leben.«
»Miles Shackley ist vor ein paar Tagen nach Algonquin Bay raufgekommen«, sagte Delorme. »Wir könnten uns denken, dass Sie wissen, wieso.«
»Also, wissen Sie was, Schwester? Ich hab keine Ahnung. Ich habe Miles Shackley seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen.«
»Und trotzdem hat er Sie vor drei Wochen angerufen. Wie kommt das wohl?«
»Er war ein alter Spion, und er konnte sich schlecht an den Ruhestand gewöhnen, okay? Er hatte Anwandlungen von Nostalgie, hat alte Freunde angerufen. Wollte noch mal die Stätten seines Wirkens sehen, Kriegsgeschichten erzählen. Wieso sollte er mich nicht anrufen?«
»Sie haben im CAT-Kommando zusammengearbeitet, richtig?«
»Ja. Und unsere Aufgabe bestand darin, in der FLQ Informanten zu rekrutieren. Das haben wir getan.«
»Und Sie beide haben mit Lieutenant Fougère gearbeitet?«
»Anfänglich nicht. Ich hab mit Fougère zusammengearbeitet, nachdem er es vermasselt hatte. Oh, entschuldigen Sie, habe ich schlecht über die Toten geredet? Tut mir leid. Lieutenant Fougère kam mit der glorreichen Idee der Operation Coquette. In erster Linie, weil er die Coquette vögelte.«
»Sie meinen Simone Rouault?«
»O ja. Eine richtige Hure. Fougère rekrutiert seine Freundin, um die FLQ zu infiltrieren, und die bringt die ersten drei Monate damit zu, sich bei einem Kerl namens Claude Hibert einzuschmeicheln. Das einzige Problem dabei: Hibert war zufällig mein Informant.«
»Er arbeitete schon für CAT?«
»Er war mein Informant – schon bevor ich zu CAT kam. Ich hatte ihn schon seit anderthalb Jahren. Fougère und seine kleine Hure haben Monate vergeudet. Deshalb mussten Shackley und ich ihn an die Hand nehmen. Shackley war CIA und eine richtige One-Man-Show. Einer der wenigen Leute auf der Welt, auf die man wirklich zählen kann. Als wir das VereinteCAT-Team ins Leben riefen, kam er aus freien Stücken dazu. Hätte er nicht gemusst. Er schob bis dahin eine ruhige Kugel in New York.
Und einfallsreich, der Junge. Nicht wie Fougère. Als Shackley zu uns kam, hatte er schon einen Agenten platziert. Die CIA-Vorschriften besagten, dass er uns nicht klar sagen durfte, wer es war und wo. Er konnte die Früchte mit uns teilen und ihren Wahrheitsgehalt abwägen, alles Übrige war streng geheim.«
»Aber Sie hätten es erfahren müssen. Sonst hätten Sie leicht denselben Fehler machen können wie Fougère.«
»Das müssen Sie Langley sagen. Am Ende war es eigentlich egal, weil Shackley und Langley selten einer Meinung waren. Er hat mir gesagt,
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