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Blutinsel

Blutinsel

Titel: Blutinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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waren die heftigsten und längsten, die Malcom Hurst je auf dieser Insel erlebt hatte, und dabei arbeitete er bereits seit unzähligen Jahren als Schafhirte bei den Bratts.
    Dicht an dicht standen die Schafe mit ihrem triefenden Wollfell aneinandergereiht in der Koppel unweit der Northern-Trail-Schutzhütte, in der Malcom vor dem beginnenden Unwetter Schutz gesucht hatte. Die Herde war unruhig. Als es vor einer Stunde zu donnern begonnen hatte, trieb er die Schafe zusammen mit Puky und Chivas, den beiden English Shepherd-Hunden, in das Gatter. Normalerweise grasten die Schafe Tag und Nacht auf den Hochflächen des Verdana Uplands. Doch bei solch einem Unwetter war es an den steilen Klippen des Northern Trails sicherer, die Herde in die einfachen Gatter aus Rundbalken unweit der Schutzhütte zu sperren. Vor beinahe zehn Jahren war eine durch ein Unwetter in Panik geratene Herde über die Klippen in den Tod gestürzt. Beinahe zweihundert Schafe mussten die Bratts damals abschreiben. Seit diesem Tag gab es die Anweisung an die Hirten, die Tiere bei Unwetter in die Einfriedung zu treiben. Hurst hatte sich die gelbe Öljacke angezogen und den Südwester aufgesetzt, dennoch war er durchnässt bis auf die Haut, ehe er zu seiner Schutzhütte zurückkehrte. Der böige Wind wehte den salzigen Duft des Atlantiks über die Wiesen des Hochlandes, und ein greller Blitz erhellte die Nacht. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, befreite er sich von der nassen Kleidung. Es war lange her, als er das letzte Mal dermaßen getrieft hatte. Damals arbeitete er noch für die Atlantic Seafood Inc. und fuhr auf einem der Trawler hinaus in den Golf, wo es vor Fischen nur so wimmelte. Nach einer Woche harter Arbeit an Bord, mit aufgerissenen Händen und durchweichter Haut, waren sie nach Hell’s Kitchen zurückgekehrt, die Laderäume prall gefüllt mit Fisch. Egon Henderson, der Besitzer von Atlantic Seafood, bezahlte eher schlecht als recht, doch als die riesigen Fabrikschiffe die Häfen der großen Städte im Osten verließen und mit ihren Schleppnetzen die Fanggründe entlang der Ostküste bis hinauf an die Hudson Bai leerfischten, war die Zeit der Trawler vorbei. Henderson schloss seine Fischfabrik auf der Insel und verkaufte die Schiffe, ehe er kaum ein Jahr später starb. Malcom blieb auf der Insel, so wie die meisten, die für Henderson gearbeitet hatten. Schafwolle war damals sehr begehrt und Otis Bratt suchte Hirten und Wollscherer, die seine beinahe zweitausend Tiere zählende Herde hüteten. Malcom ließ sich nicht zweimal bitten. Zwar hatte er einen gehörigen Teil seines Geldes, das er im mühevollen Akkord bei Henderson und der Atlantic Seafood verdient hatte, gut verzinst angelegt, doch noch liefen die Verträge, und die Auszahlung ließ noch ein ganzes Jahr auf sich warten. Weniger als die Hälfte an Salär brachte der neue Job als Schäfer ein, dafür waren die Mahlzeiten frei, und er konnte auf der Insel bleiben, auf der er geboren und aufgewachsen war. Nun war er bald sechzig und dies sollte seine letzte Saison auf den Weiden des Verdana Uplands werden, ehe er sich endgültig zur Ruhe setzte.
    Er entzündete das Feuer des kleinen Ofens, und als sich langsam eine mollige Wärme ausbreitete, setzte er sich auf das Feldbett und trocknete seine Haare mit einem Handtuch. Chivas warf ihm einen treuherzigen Blick zu, ehe er sich neben dem Ofen auf einer Decke niederließ.
    » Dieses elende Sauwetter « , murmelte er. » Seit Tagen regnet und stürmt es. Es scheint, als hat uns die Sonne einfach vergessen, mein Guter. «
    Chivas öffnete sein Maul und gähnte, während Puky mit lang ausgestreckten Gliedern vor der Tür lag und die Augen geschlossen hatte.
    » Schlaf jetzt, mein Bester « , sagte er zu dem braun-weiß gefleckten Hund vor seinen Füßen. Er warf das Handtuch auf den Stuhl neben den Tisch und legte sich mit einem Seufzer auf das Feldbett. Er lag kaum eine Minute, als sich Puky aufrichtete und lauthals zu bellen begann. Mit seinen Pfoten schabte der schwarze Shepherd an der Tür. Auch Chivas sprang auf und huschte zur Tür, um lauthals zu bellen und zu knurren.
    Hurst fuhr auf. » Was zum Teufel … was ist in euch gefahren? «
    Er erhob sich, warf sich die Jacke über und griff nach dem Gewehr in der Ecke. Auf der Insel gab es nur wenige natürliche Feinde, die in der Lage waren, ein Lamm zu reißen. Ein paar Füchse, die bei Tender Hollow hausten, und einen Adler, der ab und zu über der Insel durch die Lüfte

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