Blutinsel

«
    » Wir hatten keine andere Wahl. «
    Einen Augenblick herrschte Schweigen.
    » Dir ist sicherlich schon aufgefallen, dass sie die gleichen Namen tragen « , fuhr Nyman fort.
    » Wesley Tyler und Tyler Ashcroft, das erscheint mir nicht besonders schlau « , entgegnete Duval.
    » Wieder ein Irrtum. Nur weil sie zufällig den gleichen Namen tragen, heißt es nicht zwangsläufig, dass sie zusammengehören, zumal es bei einem der Nachname und beim anderen der Vorname ist. Ich brauchte ganz schön lange, um herauszufinden, dass Tyler Ashcroft und Wesley Tyler Stiefbrüder sind. Ashcroft heißt eigentlich John mit richtigem Vornamen. John Tyler Ashcroft. Irgendwie hat er es geschafft, auf seinem Seemannspatent aus dem ersten Teil des Doppelnamens seinen neuen Vornamen zu machen. Außerdem war mir klar, dass wohl auch Ashcroft nicht alles weiß. Also wartete ich und suchte nach dem Gold, ich hatte ja nichts anderes zu tun. Ich habe beinahe die gesamte Insel umgegraben, aber ich habe nichts gefunden. «
    » Dann hättest du dir einfach diese Bude hier vornehmen sollen « , antwortete Frank Duval.
    » Ich bin heute das vierte Mal hier und habe bereits jeden Schrank durchwühlt und jede Diele überprüft, aber hier ist nichts, und Ashcroft hat in den ganzen Monaten auch nicht einmal versucht, sich dem Versteck zu nähern. Wahrscheinlich wollte er abwarten, bis sein sauberer Halbbruder wieder aus dem Knast kommt. Außerdem glaube ich, dass es noch mehr Komplizen auf der Insel hier gibt und Ashcroft nicht alleine ist. «
    » Du warst bei dem Überfall dabei? «
    » Du glaubst wohl, das ist eine Quizsendung hier, oder? «
    » Und ich dachte, wir arbeiten zusammen. Schließlich sind wir ja irgendwie aufeinander angewiesen, wenn ich dich richtig verstanden habe. «
    Ron Nyman überlegte. » Ist nun auch egal, du kannst sowieso niemandem etwas davon erzählen « , brummte er nachdenklich.
    » Weil du mich umbringen wirst, wie die anderen, wenn du die Chance dazu hast? «
    » Nein, weil du nicht einfach hier herausspazieren und Volksreden halten kannst « , entgegnete Nyman. » Die US -Marshalls warten nur darauf. Und bei eurer Flucht gab es Tote. Ich bin sicher, wenn sie dich erwischen, werfen sie dich in das tiefste Loch, das sie in irgendeinem Knast finden, und warten darauf, bist du endlich vermoderst. «
    Duval entspannte sich und legte seine Beine auf den Tisch. » Da hast du nun wieder Recht « , feixte er. » Also, was ist, erzählst du mir nun deine Geschichte? Ich sagte doch, ich arbeite nur mit Leuten zusammen, die ich kenne. «
    » Also gut « , seufzte Nyman, » ich war nicht dabei, aber ich habe Wesley unterstützt. Ich habe die Leute geschmiert, um die Fahrtroute herauszufinden, und habe ihm ein paar Männer für den Job besorgt. Spezialisten, die ihr Handwerk verstehen. Und hinterher sollte ich das Gold in Bares umtauschen. Kurs eins zu drei. Wir wollten uns vier Wochen nach dem Job auf dieser gottverfluchten Insel treffen, mehr hat mir Wesley nicht gesagt. Geheimhaltung, du verstehst. Was man nicht weiß, kann man auch nicht ausplaudern. «
    » Ja, Wesley war ein schlauer Kerl. «
    » Wie ist er eigentlich gestorben? « , fragte Nyman. » Hast du etwas damit zu tun? «
    » Er wurde bei dem Unfall im Gefängnisbus verletzt und hat es nicht überlebt. Ich glaube, dass er sich ein paar Rippen gebrochen hat, die seine Lunge verletzten. Am Ende hat er Blut gespuckt, und ihm sind einfach die Lichter ausgegangen. Das war auf einer Insel, gar nicht weit von hier. Ich habe ihn dort begraben. «
    » Er war ein anständiger Kerl « , stellte Nyman fest.
    » Und du, bist du auch ein anständiger Kerl? « , fragte Duval.
    » Wie meinst du das? «
    » Ich wundere mich, Ron, weshalb sich ein Kerl wie du so lange auf dieser Insel herumtreibt und einer Beute nachjagt, die es vielleicht schon längst nicht mehr gibt. Und Ron ist auch nicht dein richtiger Name, stimmt’s? «
    Für einige Minuten breitete sich Schweigen aus. Schließlich richtete sich Ron Nyman im Sessel auf und reckte demonstrativ seine Handflächen, so als ob er sich ergeben wolle. » Gut, du hast Recht. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste untertauchen. Ich arbeitete für eine einflussreiche Familie in Chicago, als ich den Deal einfädelte. Leute, die keinen Spaß verstehen, wenn du weißt, was ich meine. Der Job war nur zu machen, wenn man im Vorfeld ein klein wenig Geld investierte. Natürlich wäre es kein Problem gewesen, wenn alles geklappt hätte,