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Blutinsel

Blutinsel

Titel: Blutinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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unweit der Hütte am Northern Face stoppte er und wartete beinahe eine halbe Stunde, bis er endlich weiterfahren konnte. An der Schäferhütte am Northern Trail verweilte er eine Weile im Wagen, denn noch immer goss es wie aus Kübeln, und die Wiesen verwandelten sich in einen schmierigen Sumpf. Er wartete, bis der Regen nachließ, stieg aus und zog sich seine Gummistiefel über, bevor er sich zu Fuß auf den Weg zur Hütte machte. Sicherheitshalber hatte er sein Gewehr mitgenommen, das über seiner Schulter hing. Außer ein paar versprengten Schafen mit roter Markierung am Ohr, die zweifellos zu Joshua Breeds großer Herde gehörten, scheuchte er einen pudelnassen Fuchs auf, der sich flugs in Richtung des Waldes davonmachte. Er lächelte, als er unter all den rot markierten Schafen auch einige mit einer gelben Markierung entdeckte, die zu Otis Bratts Herde gehörten.
    » Sieh an « , murmelte er. » Die Feindschaft zwischen den Bratts und den Breeds scheint euch Schafe wohl kaum zu kümmern. «
    Außer einem Blöken bekam er keine Antwort, aber das erwartete Logan auch nicht. An der Hütte angekommen, sah er sich ein wenig um, doch wenn es irgendwelche Spuren gegeben hatte, dann hatten sie der Wind und der Regen schon längst davongeweht oder in der Regenflut ertränkt. Die Tür zur Hütte war nicht verschlossen, so wie es die Regeln vorschrieben, denn die Hütten standen jedem Hirten zum Schutz vor Wind und Wetter zur Verfügung, egal ob er für Otis oder für den kauzigen Joshua arbeitete. In der Hütte gab es neben einem einfachen Feldbett nur noch einen Tisch und einen Stuhl. Sollten wider Erwarten einmal zwei Schäfer die Hütte aufsuchen, so musste eben der zu spät kommende mit dem staubigen Bretterboden vorliebnehmen. Logan schaute sich in der Hütte um. Unter dem Bett fand er eine leere Flasche Wild Turkey Kentucky Straight Bourbon . War diese Flasche Whiskey an Malcom Hursts Erscheinung schuld?
    Logan stellte die Flasche auf den Tisch und verließ die Hütte. Er ging zurück zum Wagen, zog sich die schmutzigen Stiefel aus und legte sie in den Werkzeugkasten auf der Ladefläche seines Pick-up, bevor er einstieg und in Richtung Süden davonfuhr. Hier jedenfalls, am Northern Trail, gab es keine Anzeichen dafür, dass auf Hell’s Kitchen Island ein vor über zweihundert Jahren verstorbener Piratenkapitän sein Unwesen trieb. Logan beschloss, auf seinem Rückweg noch einen Abstecher an den South-Bench-Leuchtturm zu machen und Gabriel und Ava Jefferson einen Besuch abzustatten. Vielleicht hatten sie ja etwas von einem seltsamen nächtlichen Wanderer auf dem Verdana Upland mitbekommen. Und wenn nicht, dann reichte es bestimmt zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Apfelkuchen, den Ava meistens parat hatte, wenn er bei den Jeffersons Halt machte.
    Der Regen ließ nach, als er South Bench erreichte. Schon als er sich dem kleinen Haus der Jeffersons unmittelbar neben dem rot-weiß gestreiften Leuchtturm näherte, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Der Wind ließ nach, und die dunklen Wolken, die der Wind nach Westen über die Insel geblasen hatte, wurden durch weiße, unbefleckte Wolken abgelöst. Hier und da riss sogar der Himmel auf und tauchte die Insel in ein gelbliches, diffuses Sonnenlicht. Die Tür zum Schuppen sowie auch die Haustür von Jeffersons Haus standen sperrangelweit offen. Logan parkte seinen Wagen und stieg aus. Diesmal verzichtete er auf die Gummistiefel, denn das felsige Land der South-Bench-Klippen war nur spärlich mit Gras bewachsen.
    » Gabriel, Ava! « , rief er in die Stille, doch niemand antwortete ihm. Direkt neben dem durch einen schmiedeeisernen Zaun geschützten Garten, der aufgrund der Jahreszeit noch brachlag, standen mannshohe Skulpturen. Tiere, Menschen und andere Phantasiefiguren. Gabriels Skulpturengarten versetzte ihn ein ums andere Mal in Erstaunen.
    » Ava, Gabriel « , rief er noch einmal. Doch nur das winddurchsetzte Schweigen erhielt er zur Antwort. Er ging auf den Schuppen zu und warf einen Blick hinein. Er zuckte zusammen, als er die mannsgroße Figur direkt hinter der Tür erblickte, doch sein Schreck verzog sich, als er realisierte, dass es nur eine weitere Holzfigur war. Ein Seemann, mit einem langen wallenden Mantel und einem Südwester auf dem Kopf, Gabriel war sehr begabt, und seine Fingerfertigkeit hatte trotz seines hohen Alters nichts eingebüßt. Die Figur wirkte, als ob sie lebte. Nur der Stauerhaken, der im linken Auge der Skulptur steckte, passte nicht

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