Blutkrieg
erschreckte, vernahmen sie
unter ihren Füßen … Geräusche. Ein schreckliches Picken und
Hacken und Reißen, gefolgt von Poltern und Stöhnen, dann
kamen schwere, schlurfende Schritte die morsche Treppe herauf.
Ein dumpfer Schlag traf die zugenagelte Klappe, ohne sie
wirklich erschüttern zu können, dann hörten sie einen Laut wie
von schartigen Fingernägeln, die über Holz und Metall kratzten.
Abu Dun zog knurrend sein Schwert, und auch Andrej begann
die Hand auf die Waffe zu senken, aber er führte die Bewegung
nicht zu Ende. Das Kratzen wurde lauter, und nun mischte sich
das Hämmern von Fäusten und ein Klatschen, Zerren und
Reißen hinein, eine Kakophonie der grässlichsten Laute, die
nicht an menschliche Wesen erinnerten. Die verrammelte
Deckklappe zitterte und ächzte, doch die schweren Bretter, die
Abu Dun gleich drei- oder vierfach übereinandergenagelt hatte,
hielt. Noch.
Das Deck unter ihren Füßen erzitterte, und eine erste, träge
Welle brach sich klatschend am Rumpf des Schiffes. Wieder
tanzte ein Blitz über den Horizont und tauchte das Deck der Schwarzen Gischt für einen Moment in flackernde Unwirklichkeit, und als das graue Zwielicht des Tages zurückkehrte,
bewegten sich die Fetzen des Segels über ihren Köpfen mit
einem schweren, nassen Flappen und erschlafften gleich darauf
wieder. Das Meer war jetzt nicht mehr glatt. Schaumgekrönte
Wellen liefen in komplizierten, rasend schnell wechselnden
Mustern über seine Oberfläche und auf die Schwarze Gischt zu
und ließen das Schiff immer heftiger erzittern.
»Das Segel«, schrie Andrej. »Schnell!«
Kostbare Sekunden vergingen, in denen Abu Dun das zerfetzte
Segel über ihren Köpfen anstarrte, bis er begriff, wovon Andrej
sprach. Dann fuhr er mit einer abrupten Bewegung zum
Achterdeck herum, wo die kümmerlichen Ergebnisse seiner
eigenen Segelmacherkunst lagen. Aber auch jetzt regte er sich
nicht, sondern sah Andrej nur aus großen Augen an.
»Bist du verrückt geworden?«, murmelte er. Eine weitere
Welle klatschte – nun schon spürbar heftiger – gegen den
Rumpf des Schiffes.
»Nein, aber auch nicht lebensmüde«, antwortete Andrej
grimmig. »Willst du warten, bis sie die Klappe aufgebrochen
haben und heraufkommen?« Er wies heftig auf das helle
Schimmern am Horizont. »So weit ist es nicht. Wir können es
schaffen.«
Abu Dun zögerte immer noch. Dem Ausdruck auf seinem
Gesicht war deutlich anzusehen, was er von dieser Idee hielt,
und auch Andrej hatte das ungute Gefühl, dass die Begeisterung
für seinen eigenen Vorschlag abnehmen würde, je länger er
darüber nachdachte. Aber selbst eine verzweifelte Idee war in
einer verzweifelten Lage immer noch besser als gar keine.
Vielleicht war es besser, wenn er sich gar nicht erst die Zeit ließ,
allzu lange über seinen verrückten Plan nachzudenken.
Das Kratzen und Scharren und Klopfen gegen die zugenagelte
Luke hielt an, und wenn man genau hinhörte, war noch ein
anderes, schrecklicheres Geräusch auszumachen: Ein Reißen
und Picken und Hacken, zu dem seine Fantasie hastig das Bild
eines gewaltigen Schnabels zufügte, der fauliges Fleisch von
blassen Knochen hackte.
Der Wind frischte weiter auf, während sie eilig auf das
Achterkastell stürzten, und das Deck unter ihren Füßen erzitterte
jetzt nicht nur unter den Schritten und Fausthieben der untoten
Seeleute. Über ihnen flatterten die Fetzen des ehemaligen Segels
protestierend im stärker werdenden Wind. So rasch sie konnten,
trugen sie Abu Duns improvisierte Segel hinunter zum Deck.
Andrej wollte unverzüglich am Mast hinaufsteigen, doch der
Nubier riss ihn mit einem wortlosen Kopfschütteln zurück, warf
sich das nasse, vom Regen schwer gewordene Tuch über die
Schulter und kletterte mit der Geschicklichkeit eines Affen (und
der Eleganz eines betrunkenen Nilpferdes) zur Rahe hinauf.
Selbst seine gewaltigen Kräfte reichten kaum, um das mit Nässe
vollgesogene Segel nach oben zu zerren. Beinahe wäre er von
der Rahe gefallen. Abermals setzte Andrej dazu an, ihm zu
folgen, und abermals schüttelte der Nubier abwehrend den Kopf,
klammerte sich mit der linken Hand am Mast fest und warf ihm
mit der anderen ein loses Tauende zu.
»Bind es irgendwo fest!«, rief er. Der Wind nahm weiter zu,
und sein Heulen und Wehklagen war nun so laut geworden, dass
er fast schreien musste, um sich darüber hinweg verständlich zu
machen. Die Fäuste und Fingernägel unter ihnen trommelten
und kratzten
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