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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Andrej ausweichend. »Ich fürchte, im
Moment bin ich einfach nur ein Schiffbrüchiger, der sich um
seinen Freund sorgt.«
»Woher kommt ihr?«, wollte Gryla wissen. »Männer wie dich
habe ich hier noch nie gesehen.«
Andrej zögerte einen Moment – er wusste selbst nicht, warum,
doch etwas warnte ihn davor, Gryla zu viel über Abu Dun und
sich zu erzählen. Dann aber berichtete er mit knappen Worten
von ihrer Reise, dem Sturm, der die Schwarze Gischt gegen die
Riffe geworfen und zerschmettert hatte, und dem, was ihnen
anschließend passiert war, nachdem es ihnen mit Mühe und Not
gelungen war, die Küste eines Landes zu erreichen, wie sie es
noch nie zuvor gesehen hatten.
Gryla hörte schweigend zu, doch auf ihrem Gesicht machte
sich ein Ausdruck zunehmenden Staunens breit, in dem sich
Zweifel und dann beinahe so etwas wie Bewunderung mischten,
als er davon erzählte, wie Abu Dun und er in eine heimtückische
Falle getappt und beinahe von einem Paar grässlicher
Spinnenungeheuer getötet worden wären, die nicht nur ihren
Körper, sondern vor allem ihren Geist vergiftet hatten.
»Und ihr seid ihnen entkommen?«, fragte sie, unüberhörbar
zweifelnd. »Das ist bisher nur sehr wenigen gelungen. Sehr
wenige glauben, dass es diese Ungeheuer überhaupt gibt.« Sie
deutete ein Schulterzucken an. »Was natürlich daran liegen
kann, dass kaum jemand bisher eine Begegnung mit den
Traumspinnen überlebt hat, um davon berichten zu können.«
Andrej dachte schaudernd an die Eishöhle zurück, in der Abu
Dun und er erwacht waren. »Wir hatten Glück«, sagte er mit
einem schiefen Lächeln. »Aber es war knapp. Wir sind ihnen
entkommen, doch seither ist Abu Dun krank.«
Gryla schwieg eine ganze Weile, während ihr Blick
geradewegs durch Andrej hindurchzugehen schien. Dann gab sie
sich einen kleinen Ruck und sagte mit wissendem Lächeln:
»Dein Freund hat Fieber und Krämpfe, und ihn plagen
Alpträume, nicht nur während der Nacht, sondern auch
tagsüber.«
Fieber und Krämpfe konnte Abu Dun nicht bekommen, die
Alpträume aber waren Realität. Sie hatten begonnen, kaum dass
sie aus der Falle der Ungeheuer entkommen waren, zuerst nur
nachts, dann aber waren sie schlimmer geworden und kamen
immer häufiger, und schließlich hatte Abu Dun auch tagsüber zu
fantasieren begonnen. Einmal hatte er Andrej sogar angegriffen.
»Es stimmt«, sagte er.
»Und du?«, wollte Gryla wissen.
Andrej hatte das Gefühl, dass von seiner Antwort mehr
abhing, als ihm jetzt schon klar war. »Ich hatte diese Träume am
Anfang auch«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Doch sie haben
nachgelassen. Bei Abu Dun sind sie schlimmer geworden. Ich
weiß nicht, warum.«
»Ihr hattet großes Glück«, sagte Gryla noch einmal. »Kaum
ein Mann überlebte den Biss der Traumspinne. Dein Freund
muss mehr von ihrem Gift abbekommen haben als du.« Sie
schüttelte noch einmal den Kopf, seufzte, als fiele es ihr immer
noch schwer, zu glauben, was sie gehört hatte, und richtete sich
dann auf ihrem Stuhl auf. »Und wieso glaubst du, dass ich
deinem Freund helfen kann?«
Weil du die einzige Chance bist, die er überhaupt noch hat,
dachte Andrej. Laut sagte er: »Ich hatte die Hoffnung auf Hilfe
schon fast aufgegeben. Aber heute Morgen sind wir auf Fjalar
gestoßen. Er hat uns in seiner Höhle aufgenommen, uns zu
Essen angeboten und Abu Dun einen Platz an seinem Feuer.
Und er hat von dir erzählt.«
»Von der Hexe?«, fragte Gryla amüsiert.
Andrej sah keine Veranlassung zu lügen. »Ja«, sagte er. »So
hat er dich genannt.« Er neigte fragend den Kopf. »Hattest du
Streit mit ihm?«
Gryla zögerte mit ihrer Antwort gerade lange genug, um
Zweifel an deren Aufrichtigkeit in Andrej zu wecken. »Nein«,
behauptete sie. »Das Leben hier ist zu einsam, Andrej, und es
gibt zu wenige Menschen, als dass man es sich leisten könnte,
auch nur mit einem von ihnen in Unfrieden zu leben.«
Sie stand auf und trat ans Fenster. Andrej wartete darauf, dass
sie weitersprach, doch dann wurde ihm klar, dass sie das nicht
tun würde. Schließlich erhob auch er sich und trat neben sie.
Selbst jetzt, dicht vor dem Fenster, spürte er weder die Kälte
noch den schneidenden Wind, der um den Felsen tobte. Er sah,
wie der Sturm den Schnee in feinen weißen Schwaden vor sich
hertrieb. Es schien Andrej, als spiele er mit den Flocken, indem
er hier und da vergängliche Figuren zauberte, bevor er das
Interesse verlor und sich ein neues Spielzeug suchte.

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