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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich geirrt hatte und das Gespann aus den größten
Hunden bestand, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Die
Tiere steckten in wuchtigen, mit Silber beschlagenen Geschirren, und erst als er neben Gryla auf dem Schlitten Platz nahm
und sich das Gefährt augenblicklich in Bewegung setzte, ohne
dass die vermeintliche Hexe den Befehl dazu gegeben hätte, fiel
ihm auf, dass es keine Zügel oder irgendeine andere Vorrichtung
gab, um die bizarren Zugtiere zu lenken. Andrej stellte die Frage
nicht, die ihm auf der Zunge lag, denn das Funkeln in Grylas
Augen zeigte ihm unmissverständlich, dass sie schon eine
spöttische Replik parat hatte.
    Es kam ihm vor, als hätte der Sturm noch einmal an Kraft
zugenommen und als wären die Temperaturen noch einmal
gesunken, seit Fjalar ihn hierhergebracht hatte, doch vielleicht
lag dieser Eindruck nur an den wenigen kostbaren Momenten
der Wärme, die er in Grylas Turm genossen hatte.
    Während sich das bizarre Gefährt mit erstaunlicher Geschwindigkeit von der Heimat der Hexe entfernte, drehte sich Andrej
noch einmal um und sah zu der rasch kleiner werdenden Felsnadel zurück. Nun, da er in ihrem Inneren gewesen war und
wusste, wie es dort aussah, kam sie ihm noch viel unheimlicher
und seltsamer vor. Als er sich Grylas fragenden Blickes bewusst
wurde, scheute er sich nicht, seine Gefühle in Worte zu kleiden.
    »Dieser Felsen ist uralt«, antwortete Gryla. Sie trug jetzt nicht
mehr den einfachen schwarzen Kapuzenumhang, in dem Andrej
ihr das erste Mal begegnet war, sondern einen schweren Mantel
aus einem Fell, das er für das eines Bären gehalten hätte, wäre
es nicht von strahlend weißer Farbe gewesen. Die dazugehörige
Kapuze verbarg ihr Gesicht fast zur Gänze. »Niemand weiß, wie
alt er wirklich ist und wer ihn erbaut hat. Manche behaupten, die
alten Götter selbst. Aber ich glaube das nicht.«
    »Aber ich dachte, du hättest ihn -?«, begann Andrej, doch
Gryla unterbrach ihn sofort mit einem Kopfschütteln und einem
neuerlichen spöttischen Aufblitzen ihrer Augen.
    »Erbaut?«, fragte sie. »Gewiss nicht.« Sie lachte noch einmal,
leiser diesmal, und es war noch etwas anderes in diesem Laut,
das ihn auf sonderbare Weise berührte. »Du musst mich
anscheinend für weit mehr als nur eine Hexe halten«, sagte sie.
»So etwas können nur Götter selbst schaffen.« Sie wartete
gerade lange genug, um ihre Worte auf Andrej wirken zu lassen,
und fügte dann hinzu: »Oder sehr viele Menschen, mit einem
sehr großen Ziel.«
    Andrej war verwirrt, und er war sich nicht sicher, ob all diese
sonderbaren Äußerungen und Andeutungen nur den Zweck
hatten, sich einen Spaß mit ihm zu machen. Er schwieg.
    Seine innere Stimme sagte ihm, dass mit dieser seltsamen Frau
etwas nicht stimmte. Es begann mit ihrem Verhältnis zu Fjalar,
dem Späher, über das sie gerade genug gesagt hatte, um eben nichts zu sagen, und endete mit dem unheimlichen
Hundeschlitten, der wie von Zauberhand bereitgestanden hatte,
ohne dass Gryla irgendeinem Diener Bescheid gegeben hätte.
Auch hatte sie wissen wollen, ob Abu Dun und er Krieger seien.
Ihre Frage nach seinem Schwert erschien ihm im Nachhinein
nicht mehr belanglos. Diese Frau war mehr, als sie zu sein
vorgab. Er wusste, er würde ihr Geheimnis nicht lüften, nicht
jetzt und hier, aber Andrej nahm sich vor, auf der Hut zu
bleiben.
    Schneller und schneller schoss der Hundeschlitten dahin. Der
Sturm nahm noch zu, und bald wurde das Schneetreiben so
dicht, dass man zwar noch die berühmte Hand vor Augen, nicht
aber das erste Paar Hunde am Ende des Geschirrs erkennen
konnte. Doch Andrej gestattete sich nicht, Sorge zu empfinden
oder gar Angst. Er spürte, dass die Tiere zuverlässig den
richtigen Weg fanden; was ihm auch bewies, dass sie die
Strecke schon sehr oft genommen haben mussten.
    Der Weg, für den Andrej zusammen mit dem Gnom Stunden
gebraucht hatte, schien jetzt nur ein Bruchteil so lang, und dann
wurde das Gefährt langsamer und hielt schließlich an. Gryla
erhob sich ohne ein weiteres Wort von der niedrigen, aus
steinharten Weidenzweigen geflochtenen Bank, sprang
leichtfüßig in den Schnee und eilte auf den kaum erkennbaren
Schatten zu, der den Eingang zu Fjalars Höhle markierte. Als
Andrej und Abu Dun gekommen waren, hatte grauer Dunst über
der Öffnung gehangen, den nun der Sturm davongeweht hatte.
Jetzt zeugte nichts mehr davon, dass sich unter dem harmlosen
Schatten im Schnee eine Höhle

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