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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weiterging. »Meinen kennst du ja
schon.«
»Andrej«, antwortete Andrej. Gehorsam trat er an den Tisch,
machte aber keine Anstalten, sich zu setzen. Alles hier verwirrte
ihn über die Maßen. Und Gryla am allermeisten. Was stimmte
hier nicht?
Gryla verschwand einen Moment im Nebenzimmer, und
Andrej nutzte die Gelegenheit, sich ein zweites Mal und
aufmerksamer umzublicken. Der Raum war schlicht, aber sehr
zweckmäßig eingerichtet. Es gab keinen Kamin, die
Temperaturen hier drinnen waren jedoch angenehm, und das lag
nicht nur daran, dass er, nach dem stundenlangen Marsch durch
den Schneesturm, vermutlich alles, was um eine Winzigkeit
über dem Gefrierpunkt lag, als angenehm empfunden hätte;
nicht einmal mehr sein Atem erschien als grauer Dampf vor
seinem Gesicht, ein tatsächlicher Beweis dafür, wie warm es in
dem Raum sein musste.
Abgesehen von den beiden Stühlen und einer aus schweren
Brettern grob zusammengezimmerten Truhe schien das gesamte
Mobiliar aus Steinen zu bestehen und war – wie der ganze Raum
– direkt aus dem Fels herausgemeißelt worden. An den Wänden
hingen keine Teppiche und keinerlei Bilder, mit Ausnahme von
etwas, was er auf den ersten Blick für ein Kruzifix gehalten
hatte, bis er genauer hinsah und erkannte, dass es sich um einen
Thorhammer handelte und somit um das Symbol einer viel
älteren Religion.
Gryla kam zurück. Sie trug ein hölzernes Tablett mit einem
dampfenden Krug, einem Teller mit Obst und ein wenig Fleisch
sowie frisch gebackenem Brot, dessen bloßer Duft Andrej schon
das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Während sie ihre
Last vor ihm auf der steinernen Tischplatte ablud, bedeutete sie
ihm mit einer Kopfbewegung, sich zu setzen, nahm
anschließend auf dem zweiten Stuhl Platz und winkte noch
einmal auffordernd mit der Hand.
»Greif zu, Andrej«, sagte sie. »Du musst hungrig sein.«
Das war er. Andrej konnte sich noch daran erinnern, wann er
das letzte Mal gegessen hatte – in dem schmuddeligen Eisloch
unter der Erde, in dem Fjalar sie aufgenommen und beköstigt
hatte –, aber nicht mehr daran, wann er das letzte Mal satt geworden war. Ohne sich weiter den Kopf darüber zu
zerbrechen, woher in diesem lebensfeindlichen Land all diese
Köstlichkeiten kommen mochten, griff er zu und versuchte
sogar, einigermaßen zivilisiert zu essen, doch schon die ersten
Bissen fachten seinen Hunger so sehr an, dass er sich bald
beherrschen musste, um nicht regelrecht zu schlingen. Gryla sah
ihm mit unbewegtem Gesicht, aber spöttisch funkelnden Augen
zu, war jedoch höflich genug, nichts zu sagen, sondern wartete
ab, bis Andrej den Teller fast zur Gänze gelehrt hatte und nach
dem dampfenden Krug griff. Er enthielt ein süßlich
schmeckendes alkoholisches Getränk, von dem er annahm, dass
es sich um heißen Met handelte; ein Trank, der fremd, aber
unerwartet gut schmeckte.
»Danke«, sagte er, nachdem er endlich zu Ende gegessen hatte
und den Teller mit dem letzten Krümel anstandshalber von sich
schob. »Du bist sehr gastfreundlich.«
»Das bleibt wohl nicht aus, wenn man so selten Gäste hat wie
ich«, erwiderte Gryla. »Nun aber erzähle mir, warum du
gekommen bist. Was gibt es, was eine Hexe für dich tun
könnte?«
»Hast du nicht gesagt, du wärst keine?«, gab Andrej zurück.
»Aber du hast Fjalar gebeten, dich zu einer Hexe zu bringen«,
erwiderte Gryla.
Andrej versuchte vergeblich, in ihrem Gesicht zu lesen. Jetzt,
ohne ihren Mantel und in dem hellen Licht, das durch das große
Fenster hereinströmte, erkannte er, dass sie deutlich älter sein
musste, als er bisher angenommen hatte. Doch so verstörend es
auch war, er war außerstande zu sagen, wie alt.
»Ich bin es nicht, der Hilfe braucht«, sagte er. »Es geht um
meinen Freund, Abu Dun.«
»Abu Dun?« Gryla machte ein nachdenkliches Gesicht, ohne
dass der Blick ihrer unergründlichen Augen die seinen auch nur
für einen Atemzug losgelassen hätte. »Ein … ungewöhnlicher
Name.«
»Abu Dun ist auch ein ungewöhnlicher Mann«, bestätigte
Andrej. »Aber im Moment auch ein sehr kranker Mann. Ich bin
auf der Suche nach jemandem, der ihm helfen kann.«
»Ich finde, dass du schon ein ungewöhnlicher Mann bist,
Andrej«, antwortete Gryla. »Ein Mann, den du als
außergewöhnlich bezeichnest, muss wahrlich etwas Besonderes
sein.« Sie hob die Hand, als Andrej antworten wollte, und
deutete auf den Griff seines Schwertes. »Bist du ein Krieger?«
»Manchmal«, erwiderte

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