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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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alterslose Frau
… es waren viele.
»Dreizehn«, sagte eine Stimme. Ein kurzer Reflex blitzte in
dem Eis vor ihm auf, als wäre hinter ihm plötzlich etwas aus
dem Nichts erschienen. »Spar dir die Mühe, sie zu zählen. Es
sind dreizehn.«
»Und ich nehme an, es sollten jetzt eigentlich vierzehn sein«,
sagte Andrej, während er sich langsam zu Gryla herumdrehte
und sie ansah. Sie war schön wie immer, und doch umwehte sie
jetzt etwas Düsteres.
Ihr Nicken ging sofort in ein Kopfschütteln über. »Du hast
mich belogen, Unsterblicher«, sagte sie.
Andrej versuchte vergebens, Zorn zu empfinden. Sie waren zu
lange zusammen gewesen, und sie hatte ihm zu viel gegeben, als
dass er sie hassen konnte, ganz gleich, wer sie wirklich sein
mochte.
Aber was hatte sie ihm im Gegenzug genommen?
Er versuchte sich zu erinnern, doch es gelang ihm nicht. Die
Erinnerung an die zurückliegende Nacht begann in seinem Kopf
zu verblassen, ganz egal, wie sehr er auch versuchte, sie
festzuhalten.
»Bemüh dich nicht«, sagte Gryla lächelnd. »Du wirst die Zeit
mit mir vergessen, bald. Glaub mir, es ist besser für dich.«
Andrej antwortete nicht darauf. Stattdessen fragte er: »Wieso
hast du mich am Leben gelassen?«
Es dauerte eine Weile, bevor Gryla antwortete. »Wer weiß?«,
meinte sie schulterzuckend. »Vielleicht aus Sentimentalität.
Vielleicht auch, weil du etwas Besonderes bist.«
»War ich so gut?«, fragte Andrej und versuchte vergeblich zu
grinsen.
Gryla blieb ernst. »Ja«, sagte sie geradeheraus. »Aber das ist
kein Wunder, nun, wo ich weiß, was du wirklich bist. Aber
deshalb habe ich dich nicht leben lassen.«
»Warum dann?«
Gryla lächelte sanft, und ein unsichtbarer Schatten huschte
über ihr Gesicht. Für einen kurzen Moment war Gryla nicht
mehr nur Gryla, sondern er sah auch die Züge eines großen,
hageren Mannes, dann die eines abgrundtief hässlichen Gnoms
oder eines bärtigen Nordmanns, und dann glaubte er auch etwas
nicht mehr Menschliches zu erkennen, etwas aus hartem Chitin
mit Augen wie eine Faust voller fauliger Beeren und
schnappenden Kiefern und viel zu vielen staksigen Beinen.
Dann blinzelte er, und die furchtbare Vision war vorbei.
»Ich habe von Männern wie dir und deinem Freund gehört,
Andrej, aber ich bin noch nie einem begegnet«, fuhr Gryla fort.
»Es wäre ein Fehler, zwei Leben auszulöschen, die so einmalig
und kostbar sind. Ihr und ich, Andrej, wir sind vom gleichen
Blut.«
»Niemals!«, entfuhr es Andrej. »Ich habe nichts mit einem … Ding wie dir zu schaffen.«
Gryla lächelte, nun wieder ganz Mensch und Frau. »Irgendwann wirst du es verstehen, Andrej Delãny«, sagte sie. »Doch
jetzt solltest du gehen. Dein Freund wartet auf dich. Er weiß
nicht, was geschehen ist, und es wäre vielleicht auch besser,
wenn du es ihm nicht erzählen würdest.«
»Du … lässt mich gehen?«, wunderte sich Andrej.
Gryla maß ihn mit einem Blick, als nehme sie ihm diese Frage
übel, beließ es jedoch dabei. »Geht immer nach Norden«, sagte
sie. »Der Weg ist weit, aber wenn ihr euch nahe der Küste
haltet, könnt ihr es schaffen. Irgendwann werdet ihr auf
Menschen stoßen … oder wenigstens auf so etwas Ähnliches.«
Auch diese Bemerkung schürte Andrejs Beunruhigung. Aber
er stellte keine Frage, sondern wandte sich in die Richtung, in
die Gryla gedeutet hatte, blieb aber schon nach zwei Schritten
wieder stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um.
»Nur noch eine Frage«, sagte er. »Warum hast du auf deinen
Preis verzichtet?«
»Auf meinen Preis verzichtet?«, wiederholte Gryla. »Ich
verstehe nicht, was du meinst.«
»Wir hatten eine ganze Nacht ausgemacht«, erinnerte Andrej
sie, »auch wenn ich nicht wusste, was eine Nacht in diesem
Land bedeutet.«
»Und ich habe sie bekommen«, antwortete Gryla.
»Aber draußen ist es noch immer hell«, protestierte Andrej.
»Nein«, sagte Gryla. »Nicht noch. Schon wieder.«
Andrej starrte sie an.
»Und um deine nächste Frage zu beantworten, bevor du sie
stellst«, fuhr Gryla fort, »ich habe bekommen, was ich wollte.
Gryla mit den dreizehn Söhnen gibt es nicht mehr. Die
Menschen werden in Zukunft von Gryla mit den vierzehn
Söhnen reden … Wie gesagt: Die Nächte sind sehr lang hier.
Und nun geh, Andrej. Dein Freund wartet auf dich.«
    Später, als er neben Abu Dun durch den Schneesturm stapfte
und sich bemühte, das Gesicht vor dem beißenden Wind zu
schützen, versuchte er noch einmal, sich an die zurückliegende

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