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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Wir sind
nicht auf der Suche nach Abenteuern. Und auch nicht nach
Schätzen.«
    Der Blonde trank einen Schluck aus seinem Bierkrug und ließ
dabei Geräusche hören, die an eine Rotte Wildschweine
erinnerten, die sich in einer Pfütze suhlt. Der Blick seiner
überraschend kleinen Augen ließ Andrej nicht los. »Was sucht
ihr dann hier bei uns?«, wollte er wissen.
    Täuschte sich Andrej, oder wurde es in der Gaststube etwas
leiser, als versuchten alle anderen Anwesenden, ihre Antwort
mitzuhören, ohne ihr Gespräch allzu deutlich zu unterbrechen?
    Es war Abu Dun, der an seiner Stelle antwortete, und Andrej
verfluchte sich in Gedanken, ihm die Gelegenheit dazu gegeben
zu haben. Wie die meisten wirklich großen und wirklich starken
Männer pflegte sich der Nubier normalerweise ruhig und
gutmütig zu geben – ein Bär, aber ein sanfter Bär, der es nicht
nötig hatte, irgendjemandem seine Kraft zu beweisen.
    Es sei denn, er traf auf einen größeren Bären.
»Genau genommen suchen wir gar nichts«, sagte der
schwarzhäutige Riese. »Alles, was wir wollen, ist, dieses öde
Stück gefrorener Langeweile so schnell wie möglich wieder zu
verlassen.«
Das war eindeutig die falsche Antwort. Niemand sagte etwas,
doch das Schlürfen und Schmatzen des Blonden verstummte für
einen Moment, und nun wurde es deutlich leiser in der Gaststube.
Obwohl Andrej es sich nicht gestattete, in die Runde zu schauen
und damit sein Erschrecken allzu offen sichtbar werden zu lassen,
spürte er doch die bohrenden Blicke. Er trat Abu Dun unter dem
Tisch so kräftig mit dem Stiefelabsatz auf die Zehenspitzen, dass
dieser leicht zusammenfuhr und ihm einen feindseligen Blick
zuwarf, wandte sich dann aber mit einem um Verzeihung
bittenden Lächeln an den Blonden und sagte: »Du musst meinen
Freund verstehen. Er hat es nicht so gemeint.«
Der Blonde setzte seinen Bierkrug fast behutsam ab. Zähes,
klebriges Met tropfte in seinen Bart und tat sein Möglichstes,
um die dichte Matte von undefinierbarer Farbe, die sein Gesicht
einrahmte, noch mehr zu verfilzen.
»So?«, vergewisserte er sich. »Es hat sich aber ganz und gar so
angehört, als meine er es ernst.«
Es wurde noch stiller im Raum. Selbst der Wirt, der bislang
über seiner Theke zusammengesunken gehockt und einen
Rausch ausgeschlafen hatte, der vermutlich seit zehn oder
zwanzig Jahren sein ständiger Begleiter war, hob träge den Kopf
und blinzelte in ihre Richtung.
»Abu Dun kommt aus Afrika«, beeilte sich Andrej zu erklären.
»Hast du schon einmal davon gehört?« Das Schweigen und
Starren des blonden Riesen war Antwort genug auf seine Frage,
und so fuhr er fort: »Seine Heimat ist ebenso heiß, wie die eure
kalt ist. Er sehnt sich nach der warmen Sonne der Wüste. Glaub
mir, würde es dich dorthin verschlagen, würdest du dich ebenso
in deine kalte Heimat zurücksehnen.«
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Gegenüber die
Erklärung tatsächlich akzeptierte, geschweige denn verstand.
Erstaunlicherweise schwieg er nur noch einen kurzen Moment,
dann nickte er, und sein Blick wurde fast sanft, auf jeden Fall
aber mitfühlend. »Ich habe von einem solchen Land gehört«,
behauptete er. »Die Sonne strahlt dort mit solcher Kraft vom
Himmel, dass es einem Mann in einer Stunde den Verstand
herausbrennen kann, und es heißt, es gibt dort so viel Sand, dass
das Auge nicht ausreicht, sein Ende zu erblicken.« Er schüttelte
sich demonstrativ. »Dieses Land muss die Hölle sein.«
»Siehst du – und so ungefähr fühlt sich Abu Dun hier«, sagte
Andrej. Und ich auch, fügte er in Gedanken hinzu, hütete sich
aber, sich laut zu offenbaren. Er bedauerte längst,
hierhergekommen zu sein. Was für Abu Dun galt, das schien für
dieses knappe Dutzend ungeschlachter Riesen erst recht zu
gelten. Ihn selbst, der zumindest von der Statur her kaum mehr
als ein Kind gegen sie war, hatten sie nur mit einem kurzen
prüfenden Blick taxiert und sich dann entschlossen, ihn zu
ignorieren, während Abu Dun durchaus zur Zielscheibe des
einen oder anderen groben Scherzes werden konnte. Aber nach
Tagen, die sie durch eine Einöde aus kahlem Fels und
tausendjährigem Eis geirrt waren, hatten sich nicht nur ihre
Augen nach einem Fleckchen Grün gesehnt, sondern auch ihre
Seele nach menschlicher Gesellschaft und ihr Körper nach
Essen und einem kräftigen Schluck.
Zumindest Letzteres hatten sie bekommen. Das Essen, das
ihnen der Wirt angeboten hatte, hatten

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