Blutlinie
nickte.
„Genau. Schön, dich kennen zu lernen, Virginia.“
„Ob das so schön ist, bezweifle ich“, wehrte ich ab.
„So mies drauf?“
Seine Züge und die Sprachmelodie rutschten wieder in diese nervige Arroganz, die mir schier zuwider war. Was bildete der Kerl sich ein? Innerlich beglückwünschte ich mich, dass ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. Der erste Schreck war vorbei, was aber nicht hieß, dass ich nicht mit Aufgeregtheit, Panik und Unruhe erfüllt war. Nur die Tatsache, dass meine Eltern Brandon für ehrlich hielten, hielt mich in diesem Wagen und ließ meine Beklommenheit etwas schrumpfen. Wenn ich daran dachte, wie sehr ich mir gewünscht hatte, ihn wieder zu sehen…und nun saß ich in seinem schnellen Gefährt, das durch die Landschaft wie ein Blitz rauschte und ich sollte ihm in allen Dingen Glauben schenken. Wie verrückt war eigentlich die Welt?
„Wie hast du das gemacht? Hast du dich in meine Wohnung teleportiert?“
Er schnaubte.
„Sind wir hier auf der Enterprise ? Ich teleportiere nicht, ich dematerialisiere.“
Affiger ging’s wirklich nicht. Hochmütig streifte mich sein Blick. Als ob ich ihn beleidigt hätte! Ich kam ins Grübeln.
„Das ist doch das Gleiche.“
„Nein, ist es eben nicht. Beim Teleportieren, sofern es das mal gibt, wird der Körper in Millionen Teile gespalten und wieder zusammengesetzt. Bei der Dematerialisierung geschieht nichts Dergleichen. Der Körper bleibt wie er ist, springt nur in einen anderen Raum.“
„Und wieso kannst du so was? Was bist du?“
Das Gespräch kam mir wie eindeutig nicht von dieser Welt vor, soviel war sicher. Ich hatte schon eine Unmenge solcher Filme und Serien gesehen, doch nie, nie, nie für wahr gehalten, dass es tatsächlich so etwas geben könnte. Was man alles mit so einer Gabe machen könnte… diese Möglichkeiten …wow!
„Das werde ich dir sicher nicht verraten. Du weiß schon viel zu viel.“
„Was weiß ich denn schon?“, rief ich ärgerlich. „Gar nichts!“
Brandon ging nicht darauf ein. Er fuhr sicher durch die Nacht, warf immer wieder einen Blick aus dem Fenster. Ich tat es ihm gleich und musste feststellen, dass ich nicht im Geringsten wusste, wo ich überhaupt war.
„Ich weiß, dass ich sicher keine Antwort bekomme“, sagte ich nüchtern, „aber wohin fahren wir?“
„Du kennst die Antwort bereits. Ich kann dir nur sagen, dass es eine Weile dauert, bis wir da sind. Du kannst dich gern zu Blood auf die Rückbank legen, wenn du willst. Etwas zu essen und zu trinken ist auch da, neben der Tasche mit deinen Kleidern.“
Er fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare, dann ruhte sein Blick wieder auf der Straße.
Ich sah mich um. Neben dem schlafenden Rottweiler lag meine Reisetasche, daneben stand eine Tüte, aus der unter anderem eine Orangensaftflasche ragte.
Ich löste den Sicherheitsgurt und tastete nach der Tüte, Mein Mund war wie ausgedörrt. Aufgrund der anderen gefühlten hundert Empfindungen war mir das noch gar nicht aufgefallen. Gierig trank ich einen großen Schluck, dann noch einen.
„Willst du etwas schlafen?“
„Nein, ich bin nicht müde“, sagte ich.
„Dann schnall dich bitte wieder an.“
Genervt atmete ich ganz tief durch und legte den Gurt wieder an. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Brandon um meinen Schlaf besorgt gewesen wäre. Aber dass ich mich anschnallen sollte, hieß eigentlich auch, dass er wollte, dass ich sicher an seiner Seite saß. Ich war verwirrt, ganz eindeutig.
In der Tüte entdeckte ich abgepackte Sandwichs, Äpfel und ein paar Schokoladenriegel. Hunger verspürte ich nicht, fühlte mein Magen sich doch wie ein aufgeblähter Ball an, den man nur anstechen musste, damit aus ihm die Luft entwich.
Noch immer erfasste ich nicht, wo ich da hineingeraten war. Brandon würde mir sicher nichts sagen, aus ihm bekam ich soviel heraus wie aus dem Finanzamt. Ich schlug mir die Hand vor den Mund.
„Was ist denn nun wieder los?“, fragte Brandon mit hochgezogener Augenbraue.
Warum mussten alle gutaussehenden Typen das immer machen, verdammt? Und wie kriegten sie das so akkurat hin?
Ich räusperte mich.
„Meine Eltern sind in Drogengeschäfte verwickelt“, brach es aus mir heraus.
Auch wenn es noch so absurd war, die Erklärung war schlüssig. Sie hatten womöglich jemanden beim Dealen im Restaurant erwischt und waren so in die Sache hineingezogen wurden. Ich teilte Brandon meinen Verdacht mit, und erklärte ihm groß und breit, wie es
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