Blutlinie
durchatmend startete ich meine diplomatische Offensive, die wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringen sollte. Und bei mir war es mehr als finster.
„Warum hast du dich nicht gleich in meine Wohnung gebea...äh…dematerialisiert und erst unten geklingelt? Ich meine, es wäre doch ein Leichtes gewesen.“
„Ich wollte es erst einmal so versuchen, auf ganz normalem Wege und dir keine Angst machen, aber das hast du ja gänzlich abgeblockt.“
Seine Stimme triefte vor Selbstgefälligkeit.
Natürlich, jetzt war ich wieder Schuld! Wie konnte man nur zwei Seelen in einer Brust haben? Brandon war einerseits fürsorglich, wie vorhin, als ich halbtot im Schnee lag, und auf der anderen Seite, die deutlich, um zweihundert Prozent die andere überwog, war er ein eingebildeter Fatzke.
„Na klar“, sagte ich ironisch. „Würdest du einen Mann als alleinstehende Frau in deine Wohnung lassen?“
„Mich schon“, grinste er.
„Träum weiter.“
Ich biss in den Apfel, der süß schmeckte. Hoffentlich behielt ich alles drin und musste später nicht dafür bezahlen.
„Und was hast du im Club gemacht? Das warst doch du, der mich so angestiert hat. In meiner Wohnung hast du so getan, als wüsstest du nicht, was ich meinte.“
Abwartend sah ich ihn an. Seine grauen Augen fixierten mich. Wie konnte man so ein schönes Profil haben? So etwas müsste verboten werden! Das brauchte einen Waffenschein! Was war das denn eben wieder? Ich schüttelte mich. Brandon sah mich seltsam an.
„Was ist los? Musst du wieder…?“
„Nein, alles okay. Ich werde deinen Wagen schon nicht verunreinigen. Also?“
Er stieß laut die Luft aus.
„Ich beschatte dich schon eine Weile, das ist alles.“
„Beschatten? Wie meinst du das?“
Ein Stück Apfel rutschte unsanft meine Speiseröhre hinab. Hatte ich vergessen zu kauen?
„Genau so, wie es sich anhört.“
„Du meinst, du verfolgst mich?“
„So könnte man es nennen.“
Ich wurde hellhörig.
„Wozu?“
„Weil es meine Aufgabe ist.“
„Aber…ich verstehe die Zusammenhänge nicht. Hast du mich ausspioniert oder mich beschützt?“
„Ich würde sagen, eher beschützt.“
Er setzte sein schiefes Lächeln auf, da fiel es mir wie Schuppen vor die Augen.
„Oh Gott! Du hast mich gestalkt!“
„Rede keinen Quatsch! Ich musste mich hin und wieder davon überzeugen, dass es dir gut ging.“
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Hör auf damit! Ich will dir böse sein!
„Du warst in meiner Wohnung!“, entfuhr es mir.
„Manchmal, aber nicht oft“, gab er zu.
Ich atmete tief ein, mein Mund stand offen.
„Und was hast du gesehen? Ich meine, was habe ich da gerade gemacht?“
„Verschiedene Dinge…“
Unverblümt suchten seine Augen meine. Das Grau schien dunkler, intensiver.
„Ich hätte dich sehen müssen.“
„Nicht unbedingt. Einige von uns haben die Gabe in gewissen Situationen sich in Rauch aufzulösen, der kaum zu erkennen ist. Allerdings nur für kurze Zeit.“
Was waren denn das wieder für Informationen! Er konnte sich nicht nur warpen, nein, nun verwandelte er sich auch noch in Smog! Himmel noch mal, er hatte mich sicher nackt gesehen! So ein Schwein!
„In diesen gewissen Situationen“, fing ich bedächtig an, „trug ich da Klamotten?“
Mit fest geschlossenen Augen wartete ich auf die Antwort, die ich schon erahnte.
„Sagen wir mal so: Meistens hattest du welche an.“
Er lachte leise.
„Nein!“, rief ich.
„Entschuldige, ich kann doch nicht wissen, wann Miss Dawson sich gerade das Bärchennachthemd anzieht!“
Empört sah ich ihn an.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein! Jetzt habe ich also die Suppe auszulöffeln, weil der Herr angeblich nicht wusste, wann ich wohl ohne Wäsche herumlaufe. Na schönen Dank auch! Du bist ein Spanner! Und noch was: Ich liebe das Bärchennachthemd.“
Das schien Brandon überhaupt nicht zu beeindrucken. Er lächelte weiterhin selbstgefällig in sich hinein, so als würde er sich die Situationen nochmals ins Gedächtnis rufen. Schlimmer ging’s immer!
„Das Ding steht dir ja auch. Aber nun reg dich mal wieder ab! Du musst dich genau genommen für gar nichts schämen. Glaub mir, ich bin ein Mann und kann das beurteilen.“
Ich schnappte nach Luft. War das sein Ernst? Mir wurde warm, unglaublich heiß, was definitiv nicht an der Heizung lag. Meine Wangen röteten sich, was er sicher bemerkte.
Ich sagte zu dem Thema nichts mehr, es war sinnlos. Er würde immer nur wieder frech grinsen und
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