Blutmond der Templer
Valois. Es war für ihn ein ebensolcher Schutz wie mein Kreuz für mich und gleichzeitig ein Beweis dafür, daß wir beide zusammengehörten, auch wenn uns die Jahrhunderte mittelerweilc trennten.
Der Abbé lächelte, als hätte er meine skeptischen Gedanken erraten.
»Willst du mir nicht glauben, John?«
»Nun ja, es fällt mir schwer. Du wirst das Skelett nicht ohne Grund aus der Kathedrale der Angst entfernt und mit auf die lange Reise genommen haben.«
»Das stimmt.«
»Können wir die Kraft des Blutmondes stoppen?« stellte Suko die nächste Frage.
Der Abbé lachte leise. »Ich glaube nicht, daß wir seine Kraft stoppen können. Wir sollten dabei mehr über die Folgen nachdenken, die sein Erscheinen mit sich bringt. Schließlich ist es nicht ohne Grund erschienen. Er will die Toten zurückholen, und wahrscheinlich geschieht dies mit Hilfe der Templer, unseren Vorfahren.«
»Bis jetzt, Abbé, haben wir nicht reagiert, nur abgewartet. Wie wird es deiner Ansicht nach weitergehen?«
»In dieser Nacht fällt eine Entscheidung.«
»Wo?«
»Hier auf dem Meer. Vieles ist verschwunden. Das Wasser kann das Grauen verdecken, es kann es aber nicht halten. Der Blutmond schickte seine Strahlen auf das Meer. Ich möchte euch bitten, an Deck zu gehen und das Wasser genau zu beobachten. Wenn das Grauen erscheint, können wir uns ihm stellen oder…« Er sprach den Satz nicht mehr aus, ich konnte mir aber vorstellen, was er meinte und nickte.
»Untergehen«, sagte Suko.
»Damit müssen wir rechnen. Ich hatte euch vor Antritt der Reise gewarnt, daß ich leider für nichts garantieren kann. Manchmal sind die Zeiten zu schrecklich.«
»Wie verhält sich der Würfel?« wollte ich wissen. »Er müßte eigentlich auf deiner Seite stehen.«
Der Abbé senkte den Blick, als könnte er die geometrische Figur genau sehen. »Er ist neutral, wenn euch das hilft. Ich kann nicht fühlen, auf welche Seite er sich stellen will.«
»Er müßte dir gehorchen«, sagte ich.
»Eine andere, sehr starke Kraft hält ihn unter Kontrolle.«
»Die könnte nur vom Spuk kommen«, sagte Suko.
»Wer weiß«, flüsterte der Abbé, »wo er sich vor langer Zeit noch eingemischt hat.«
»Gut«, erklärte ich zum Abschluß. »Wir werden deinen Rat befolgen, an Deck gehen und alles auf uns zukommen lassen.«
»Möge uns der Allerhöchste Schutz geben«, sagte der Abbé zum Abschied und lächelte schmal. Es kam mir etwas verloren und deprimiert vor. Ich mußte ihm einfach tröstende Worte sagen und legte ihm meine rechte Hand dabei auf die Schultern.
»Keine Sorge, Abbé, bisher haben wir immer einen Weg gefunden, das Grauen zu stoppen. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir auch dem Blutmond Paroli bieten können.«
»Ich wünsche uns allen, daß deine Worte in Erfüllung gehen.« Er legte seine Hand auf die meine. Sie war schweißfeucht. Ich merkte, daß seine Finger zitterten.
Suko stand schon an der Tür und öffnete sie. Im Gang wischte auch er sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Das war ein hartes Stück. Viele Tatsachen auf einmal.«
»Fast schon zu viele.«
»Glaubst du daran, daß alles so eintreten wird, wie der Abbé es gesagt hat?«
»Welchen Grund sollte ausgerechnet er haben, uns belügen zu wollen? Keinen, Suko.«
Mein Freund war sehr nachdenklich geworden. Er schwieg und ließ sich die gehörten Worte und Warnungen durch den Kopf gehen, während wir wieder an Deck gingen.
Wir sahen auch die Helfer des Abbés. Neben der eigentlichen Besatzung hatte der Anführer der Templer fünf seiner Getreuen aus Alet-les-Bains mitgebracht. Die anderen waren im Dorf geblieben, um es nicht schutzlos zu lassen.
Die Männer redeten nicht viel. Sie wirkten oft finster mit ihren starren Gesichtern, in denen sich kein Muskel regte. Aber man konnte sich fest auf sie verlassen, das wußten Suko und ich ebenfalls. Nur näheren Kontakt hatten wir nie zu ihnen bekommen. Sie akzeptierten uns, Freunde wurden wirdeshalb nicht.
Zur Besatzung zählte der Kapitän und drei seiner Leute. Die Templer hatten sie angeheuert, wobei der Kapitän auch als Steuermann fungierte. Wir betraten das Deck und spürten sofort die etwas kühlere Luft. Sie hatte die bleierne Gluthitze des Tages abgelöst. Der Himmel hatte sich nicht verändert. Nach wie vor besaß der Mond einen roten Schein. An den Rändern faserte er etwas auseinander. Suko schüttelte den Kopf, als er zu dem so veränderten Erdtrabanten hochdeutete. »Wir sehen ihn in seiner roten Farbe, John. Ich
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