Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
habe er mit dem, was hier passiert, nichts zu tun und auch nicht vor, sich einzumischen. Hilflos sehe ich mich um und registriere meine Umgebung. Ich bin im Keller. Um mich herum jede Menge SM-Spielzeug. Das perfekte Folterstudio. Im Schein einer von der Decke baumelnden Glühbirne schimmert schwarzes Leder, funkeln Stahl und Chrom, glänzen dunkel lackierte Holzteile. An den Wänden hängen Peitschen, Handschellen, Klammern, Gasmasken. Das volle Programm. Die zweite Panikwelle baut sich auf und schwappt mit Wucht über mich hinweg.
»Bitte«, sage ich. »Bitte, mach mich los!«
Götz hebt leicht die Augenbrauen.
»Ich schreie«, sage ich. Und dann schreie ich. So laut und so schrill, wie ich nur kann.
Götz verzieht das Gesicht. Ich weiß auch, warum. Der Keller ist schallisoliert. Also höre ich auf zu schreien. Es bringt nichts.
»Was soll das? Ich bin keine Masochistin«, sage ich stattdessen. »Ich habe keinen Bock auf diesen Scheiß.«
Behutsam bewegt er sich durch den Raum. Auf mich zu. Wie ein Tier, das sich anschleicht. »Deine Ausdrucksweise gefällt mir nicht«, sagt er leise.
»Götz«, erwidere ich und versuche, diese entsetzlich würgende Angst in den Griff zu bekommen, »eine Masochistin, die keinen Spaß an Schmerzen hat, die kann dich doch nicht wirklich interessieren?«
Er lacht. »Masochistinnen, die gequält werden wollen, finde ich langweilig. Ich stehe auf Frauen, die Angst haben, die schreien und wimmern, die um ihr Leben betteln«, sagt er. »Ich liebe das Entsetzen in ihren Gesichtern, die Panik in ihren Stimmen, die Hoffnung, die immer wieder aufkeimt, wenn sie glauben, ich ließe sie laufen.«
Er fährt mir mit einer blauen Vogelfeder über das Gesicht und lässt sie von meinem Hals über die Brust bis zum Bauch hinabgleiten. Der Federkiel hinterlässt eine unruhige rote Spur auf meiner Haut. O Gott, ist das mein Blut?
»Gib dir keine Mühe«, sagt er. »Und versuche nicht, mich in irgendwas reinzuquatschen. Dein bisschen Psychologie wird dir hier nicht raushelfen, Frau Privatdetektivin.«
Bei dem Wort ›Privatdetektivin‹ zucke ich zusammen. Verdammt, woher weiß er das?
»Wie kommst du auf diesen schwachsinnigen Namen: P-Quadrat? «, fragt er und hält mir meine Visitenkarte vor die Nase.
»Wie kommst du zu meiner Visitenkarte?«, frage ich zurück und kann mir die Antwort doch gleich selbst geben. »Du warst im Haus«, sage ich. »Dracu hatte einen Unfall.«
Götz steckt meine Karte in seine Hosentasche und malt mir ein großes, rotes S auf den Bauch.
»Du hast Jochen umgebracht«, sage ich.
Mit konzentrierter Miene zeichnet Götz ein zweites S auf meinen Oberarm.
»Warum?«
Er tritt einen Schritt zurück, betrachtet sein Werk und sieht dann kurz zu mir hoch. »Weil er sein Heil verwirkt hat. Er hat sich nicht an die Regeln gehalten.«
»Und du mimst jetzt den Rächer der betrogenen Masochistinnen?«, frage ich abschätzig.
»Nein«, sagt er. »Ich bin der Rächer von Renate. Ich lasse nicht zu, dass so ein Affe sie verarscht.«
Mein Gott, denke ich, ein tumber Muskelprotz, der sich in Renate verliebt hat und sich jetzt als ihr Ritter aufführt.
»Und Tanja?«, frage ich in der kindlichen Hoffnung, ihn in ein Gespräch verwickeln und dadurch von Schlimmerem abhalten zu können.
»Der wollte ich eigentlich nur eine kleine Lektion erteilen. Konnte ja nicht wissen, dass die blöde Kuh nichts aushält und gleich schlappmacht.«
Seine Bosheit und Abgebrühtheit sind wirklich nicht zu überbieten. »Und was ist mit mir?«
»Du weißt ein bisschen sehr viel. Und du hast den falschen Job.«
»Ich kann aber nichts beweisen«, sage ich eifrig.
»Aber du könntest die Polizei auf dumme Gedanken bringen.«
»Das würde ich nie ...«
»Mal sehen«, unterbricht er mich. »Mal sehen, wie du dich anstellst. Vielleicht beeindruckst du mich ja. Dann lasse ich dich unter Umständen laufen.«
Kein Wort glaube ich ihm. Er kann mich gar nicht laufen lassen. Nie im Leben.
»Aber jetzt«, sagt er und sieht sich suchend um, »jetzt schmeiß ich erst mal den Grill an.«
»DEN GRILL?«
»Wir machen ein kleines Rollenspiel«, sagt er vergnügt. »Du bist eine Sklavin, die an ihren neuen Besitzer verkauft worden ist. Und was macht man mit einer Sklavin, die man gerade neu erworben hat?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein«, sage ich. »Nein. Bitte nein.«
»Doch, doch«, antwortet er in einem Ton, den normalerweise Mütter ihren ungezogenen Kindern gegenüber anschlagen. »Unser
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