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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Erdboden
gleichmachen würden. Das Militär hatte sich unter Hinweis
auf seine Unzuständigkeit für Polizeieinsätze
geweigert, Pharmeks Interessen gegen Übergriffe zu
schützen; Polizei und Grenzschutz hatten Anweisung,
Konfrontationen zu vermeiden und sich auf den reinen Objektschutz zu
beschränken. Käme es zu einem Massenansturm, so würde
sie von der ersten Welle überrannt, zumal der Innenminister sich
die Erlaubnis zum Schußwaffengebrauch vorbehalten hatte.
Paulsen-Fuchs konnte nichts zum Schutz der Werksanlagen tun; nur
fünfzig Beschäftigte waren noch auf dem Gelände, alle
anderen hatte man aus Sicherheitsgründen evakuiert.
    Oft hatte er mit dem Gedanken gespielt, den belagerten Komplex zu
verlassen und einfach nach Hause zu gehen, oder sich eine Weile in
sein Ferienhaus in Spanien zurückzuziehen. Zu vergessen, was
geschehen war und was sein Freund Michael Bernard mit sich nach
Deutschland gebracht hatte.
    Aber Heinz Paulsen-Fuchs war zu lange im Geschäft, und sein
Verantwortungsgefühl ließ nicht zu, daß er sich in
dieser schwierigen Lage einfach davonmachte.
    Als blutjunger Mensch hatte er die Schlacht um Berlin und das
Eindringen der Russen miterlebt. Danach war er bemüht gewesen,
den ausgenutzten Idealismus seiner Jugend und die Schreckensbilder,
in denen er untergegangen war, zu verdrängen und zu allen Fragen
des Zeitgeschehens eine möglichst schwer klassifizierbare
Haltung einzunehmen, doch war er vor keiner Gefahr und
Herausforderung zurückgewichen. Er war bis 1955 in Berlin
geblieben, als er und zwei andere die Pharmek gegründet hatten.
Die Firma war im Anschluß an die Contergan-Panik beinahe
untergegangen; aber er war nicht zurückgewichen.
    Nein, er wollte sich nicht vor der Verantwortung drücken. Er
selbst würde den Schalter betätigen, der die
sterilisierenden Gase in die Isolierkammer einströmen
ließ. Er selbst wollte die Männer des Desinfektions- und
Aufräumungstrupps instruieren und beaufsichtigen. Andere mochten
darin eine Niederlage sehen, aber er wußte, was die Pflicht von
ihm verlangte. Sich in kritischen Situationen nach Spanien
abzusetzen, wäre erbärmlich und seiner unwürdig.
    Er hatte keine Ahnung, was die protestierende Menge tun
würde, sobald Bernard tot wäre. Er verließ den
Beobachtungsraum und setzte sich an den Monitor, über dessen
Mattscheibe Bernards Botschaft lief.
    Er ließ sie noch einmal von vorn anfangen. Er konnte schnell
genug lesen, um mit den Worten Schritt zu halten. Wichtig erschien
ihm vor allem der Zusammenhang dessen, was Bernard bereits gesagt
hatte, mit seinen letzten Äußerungen, um zu sehen, ob sich
mehr darin finden ließ als die isolierten Äußerungen
erkennen ließen.
     
    Bernards letzte elektronische Tagebucheintragungen, beginnen
08:35:
     
Gogarty. Innerhalb von Wochen werden sie verschwunden
sein.
    Ja, sie kommunizieren. Kleine Verwandte. Ausbrüche der
»Seuche«, der wir uns nicht einmal bewußt sind -
Europa, Asien, Australien – Menschen ohne Symptome. Augen und
Ohren, die sammeln, lernen, die unermeßliche Ernte unserer
Leben und Geschichte einbringen. Großartige Spione.
    Heinz – rassische Erinnerung. Derselbe Mechanismus wie
Biologik. In jedem von uns sind viele Leben; im Blut, im
Gewebe.
    Belastung lokaler Raumzeit. Zu viele. Direkt
durchstoßen… sie können nicht anders. Müssen
den Vorteil nutzen. Wir – Sie – können und
würden sie vielleicht nicht aufhalten wollen.
    Sie sind die großartige Leistung. Sie lieben. Sie
arbeiten zusammen. Sie haben Disziplin, sind jedoch frei; sie
kennen den Tod, sind aber unsterblich.
    Sie kennen mich durch und durch. All meine Gedanken und
Regungen. Ich bin ein Thema in ihrer Kunst, ihrer wundervollen
lebendigen »Fiktionen«. Sie haben mich millionenfach
dupliziert. Welches Ich schreibt dies? Ich weiß es nicht. Es
gibt kein Original mehr.
    Ich kann in eine Million Richtungen gehen, eine Million
Leben führen (und nicht bloß in der
»Blutmusik«, sondern in einem Universum des Denkens, der
Phantasie!), und dann meine Selbste sammeln, eine Konferenz
veranstalten und wieder von vorn beginnen. Narzismus jenseits des
Stolzes; Verwandtschaft und Nähe, bei weitem
großartiger als einfach ewig zu leben. (Sie haben sie
gefunden!)
    Jeder von ihnen kann tausend, zehntausend, eine Million
Gegenstücke haben, je nach ihrer Qualität, ihrer
Funktion. Niemand braucht zu sterben, aber mit der Zeit werden
sich alle oder annähernd alle verändern. Die

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