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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Wharton-Spezialisten kennen, verliebte sich in ihn, heiratete jung und zog nach Kalifornien zurück. Wenige Monate nachdem sie ihre Zulassung vom Staat erhalten hatte, wurde bei ihrem Mann ein seltenes Malignom diagnostiziert, und sie wurde Witwe. Allmählich bekam sie sich wieder in den Griff und baute eine Praxis in Santa Monica auf. Jetzt verband sie klinische Arbeit mit abendlichen Lehrveranstaltungen an der Uni und ehrenamtlicher Tätigkeit in einem Sterbehospiz.
    Beschäftigungstherapie. Ich kannte das Lied.
    Wenn sie saß, schienen ihre hohe Taille, ihre gertenschlanken Arme und ihr Schwanenhals auf eine gewisse Körpergröße hinzuweisen, aber sie war eine kleine, zierlich gebaute Frau, wie Robin – da tu ich’s schon wieder, Vergleiche ziehen.
    Anders als Robin neigte sie zu teurem Make-up, betrachtete den Einkauf von Textilien als Freizeitvergnügen, und das Glitzern von Diamantenschmuck strategisch einzusetzen stellte für sie kein Problem dar.
    Bei einer Gelegenheit gestand sie, es liege daran, dass sie erst spät in die Pubertät gekommen sei und es während der gesamten Highschoolzeit gehasst habe, wie ein Kind auszusehen. Mit siebenunddreißig schien sie zehn Jahre jünger zu sein.
    Ich war seit langer Zeit der erste Mann, mit dem sie zusammen war.
    Als ich sie anrief, waren Monate seit unserem letzten Gespräch vergangen. Überraschung belebte ihre Stimme. »Oh, hallo.«
    Ich redete um den heißen Brei herum, lud sie schließlich zum Abendessen ein.
    Sie sagte: »Ein Rendezvous?«
    »Ganz genau.«
    »Ich dachte, es … gäbe da jemanden.«
    »Ich auch«, sagte ich.
    »Oh. Hat sich das kürzlich ergeben?«
    »Ich will mich nicht über einen Verlust hinwegtrösten«, sagte ich. »Ich bin schon seit geraumer Zeit Single.« Ich hasste die peinliche Lage, in der ich mich befand, das Selbstmitleid.
    »Sie haben sich Zeit genommen«, sagte sie.
    Sie fand die richtigen Worte. War darin ausgebildet , die richtigen Worte zu finden. Vielleicht war das hier ein Fehler. Schon während des Graduiertenstudiums hatte ich es vermieden, mich mit Frauen meines Fachs zu verabreden, hatte andere Welten kennen lernen wollen und befürchtet, dass eine intime Beziehung zwischen zwei Psychotherapeuten zu großen Einschränkungen unterworfen wäre. Dann lernte ich Robin kennen, und es gab keine Notwendigkeit mehr, sich woanders umzuschauen …
    »Nun ja«, sagte ich. »Wenn Sie zu viel um die Ohren haben –«
    Sie lachte. »Klar, treffen wir uns.«
    »Sind Sie immer noch eine Fleischfresserin?«
    »Sie erinnern sich daran? Habe ich mich dermaßen übel voll gestopft? Beantworten Sie das nicht. Nein, ich bin keine Vegetarierin geworden.«
    Ich nannte ein Steakhaus nicht weit von ihrer Praxis. »Wie wär’s mit morgen Abend?«
    »Ich habe Patienten bis acht Uhr, aber falls Sie nichts gegen ein spätes Abendessen haben, gern.«
    »Um neun«, sagte ich. »Ich hole Sie in Ihrer Praxis ab.«
    »Warum treffen wir uns nicht dort?«, sagte sie. »Dann brauche ich meinen Wagen nicht stehen zu lassen.«
    Sie bereitete einen Fluchtplan vor.
    Ich sagte: »Hervorragend.«
    »Bis dann, Alex.«
    Ein Rendezvous.
    Wie lange war es her? Eine Ewigkeit … Obwohl Allison ihren eigenen fahrbaren Untersatz dabeihaben würde, wusch und saugte ich den Seville, bis mich der Ehrgeiz packte und ich schließlich mit einer Zahnbürste vor dem Kühlergrill saß. Eine Stunde später, dreckig, verschwitzt und nach Öl riechend, machte ich einen langen Lauf, anschließend Dehnungsübungen, duschte und rasierte mich, putzte ein Paar schwarze Halbschuhe und holte einen marineblauen Blazer aus dem Schrank.
    Ein weiches, einreihiges italienisches Modell, Weihnachten vor zwei Jahren … ein Geschenk von Robin. Ich riss ihn mir vom Leib, zog stattdessen ein schwarzes Sportjackett an, beschloss, dass ich darin aussah wie ein Beerdigungsunternehmer, und kehrte zu dem blauen zurück. Nächster Schritt: Hose. Das war kein Problem. Die federleichte aus grauem Flanell, die ich normalerweise trug, wenn ich vor Gericht aussagte. Dazu ein gelbes Hemd mit Button-down-Kragen und eine Krawatte, und ich wäre – was für eine Krawatte? Ich probierte verschiedene an, entschied, dass ein Schlips zu steif für den Anlass wäre, nahm stattdessen einen leichten blauen Pullover mit rundem Halsausschnitt und beschloss, dass der zu verdammt hollywoodmäßig wäre.
    Zurück zum gelben Hemd. Mit offenem Kragen. Nein, so sahen die runtergeknöpften Ecken nicht gut aus. Und das blöde

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