Blutnacht
»Nein, ich bin nur nicht wählerisch.« »Okay dann … Schokolade oder nicht Schokolade?« »Egal.«
»Weißt du, was?«, sagte sie. »Ich bin ziemlich satt.« »Nein, wir bestellen jetzt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Meinung geändert, es ist schon spät.«
»Ich bin ein Spielverderber.« »Ganz und gar nicht, Baby.« »Schokolade«, sagte ich.
Sie klopfte sich auf den Bauch. »Ich bin wirklich satt, bitte lass die Rechnung kommen. Und dann fahren wir nach Venice.«
»Was?«
»Du bist beunruhigt«, sagte sie. »Ich bin sicher, es ist nichts – sie will wahrscheinlich nicht mit ihm telefonieren. Aber vergewissern wir uns, damit du dir keine Sorgen mehr machst.« Ich starrte sie an. »Es ist okay«, sagte sie. »Schönes Rendezvous.«
»Über dieses Stadium sind wir längst hinaus.«
Wir verließen das Hotel. Allison war klug und aufmerksam genug, um zu merken, dass ich mir Sorgen machte, aber ich hatte ihr nicht alles gesagt. Die nagenden, Übelkeit erregenden Gedanken, die Tims Anruf ausgelöst hatte.
China und Baby Boy; zwei Opfer, für die Robin gearbeitet hatte.
Der Einbruch; nur billige elektrische Gitarren waren gestohlen worden. Abgesehen von Baby Boys akustischer Gitarre.
Shull hielt sich für einen Gitarristen, die Instrumente waren ideale Trophäen.
Und Robin hatte gerade keine schlechte Publicity bekommen: das Porträt im Guitar Player. GP war eine Fachzeitschrift, aber genau die Art Magazin, die Shull mit seiner Selbsteinschätzung als Musiker, als Insider – als Kunstrichter – wahrscheinlich lesen würde.
Ich raste nach Venice.
Allison schaltete das Radio ein, stellte die Musik leise, tat so, als höre sie zu. Überließ mich meinen Gedanken.
Etwas, das Shull gesagt hatte, als ich ihn in seinem Büro befragt hatte, fiel mir wieder ein: Aus irgendeinem Grund kommt mir Ihr Name vertraut vor.
Kurz danach hatte ich Shull gefragt, ob er irgendwelche Änderungen an Kevin Drummonds Stil bemerkt habe.
Inwiefern?
Er scheint von einfach und direkt zu wortreich und prätentiös übergegangen zu sein.
Das war ein direkter Angriff auf Shulls enormes Ego gewesen. Und Shull reagierte nicht gut, wenn man aus seinem Ballon die Luft rausließ.
Wie hatte er es hingenommen … ruhig, lächelnd, ein Ach-verflixt-Lächeln – »Autsch. Im Gegenteil, das wenige, was ich von Kevins Entwicklung sah, schien eine Verbesserung anzudeuten.«
Dann hatte er mich entlassen.
Ein pathologisch eifersüchtiger Psychopath, und ich hatte ihm ins Gesicht geschlagen.
Aus irgendeinem Grund kommt mir Ihr Name vertraut vor.
Von Zeit zu Zeit geriet ich in die Zeitungen. Keine großen Geschichten, nur als Nebendarsteller in Kriminalreportagen. Einige Psychopathen verfolgten Berichte über Verbrechen. Shull auch? War sein Gedächtnis so gut, dass es sich auf meinen Namen stürzte?
Dann begriff ich: Baby Boys CD. Eine Platte, die Shull sich wahrscheinlich besorgt hatte – im Rahmen der Erforschung seines Opfers.
Ich stellte mir vor, wie er sich die CD immer wieder anhörte. Den Covertext studierte. Die Details in sich aufsaugte.
Milo, ein beiläufiger Zuhörer, war unter den klein gedruckten Danksagungen auf Robins – und meinen – Namen gestoßen. Shull wäre er sicher nicht entgangen.
Baby Boy bedankte sich bei der »schönen Gitarrenlady« dafür, dass sie sich um seine Instrumente kümmerte.
Dankte »Dr. Alex Delaware dafür, dass er die Gitarrenlady glücklich macht«.
All die Bilder von Robin in der Zeitschrift, die schmeichelhafte Bewunderung.
Ein aufstrebender Star.
Ich erzählte Allison das alles. »Blühende Phantasie, oder?«
»Es ist ein unheimlicher Fall, ich kann dich gut verstehen. Ruf sie an, vielleicht ist sie jetzt dort, und dann ist es erledigt.«
Ich benutzte das Handy. Keine Antwort. Probierte es mit Milos Anschluss im Revier. Da war er nicht. Eine Mailbox nannte seine Handynummer.
Dann fiel es mir wieder ein: Er war draußen in Porter Ranch bei dem Richter und versuchte an eine Unterschrift auf einem Durchsuchungsbeschluss zu kommen.
Ich rief im Hollywood-Revier an. Petra war ebenfalls unterwegs. Die Nummer ihres Handys hatte ich nicht.
Allison sagte: »Du kannst ruhig schneller fahren.«
Robins Straße war ruhig, dunkel. Kleine Häuser, zu Bett gebracht und zugedeckt, viele geparkte Wagen, der Salzgeruch des Pazifiks.
»Da«, sagte ich. »Ihr Pick-up steht in der Zufahrt. Du hattest Recht, sie geht nicht ans Telefon. Sie hat Licht an, alles sieht prima
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