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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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plus null«, sagte Milo.
    »Kann ich die Leiche sehen?«, fragte ich.
    Eine Terrasse auf der Rückseite des Hauses, die so groß war wie das Odeon, ging in den von einer drei Meter hohen Ficushecke umgebenen welligen Rasen über, auf dem in weiten Abständen Birken angepflanzt waren. Ein in die Hecke geschnittener gotischer Bogen eröffnete den Weg zu einem fünfzehn Meter langen Pool, einem Tennisplatz, einem Kakteengarten, einem flachen Teich ohne Fische und, in der hinteren rechten Ecke versteckt, einer Garage für vier Wagen.
    Ich konnte keine Zufahrt oder einen anderen direkten Zugang zu der Garage erkennen und fragte Milo danach.
    »Sie benutzen es als Lagerraum – Antiquitäten, Kleidung, Lampen. Du solltest dir das Zeug mal ansehen; ich könnte von den Sachen leben, die sie ablegen.«
    »Sie lassen ihre Autos vor der Tür?«
    »Ihre beiden Mercedes 600er. An Konzertabenden parken sie die Wagen auf der Straße. Wollen, dass das Haus ›ästhetisch rein‹ aussieht. Schönes Leben, oder? Komm mit.«
    Er führte mich hinter die Garage, wo ein weiblicher Cop den toten Vassily Levitch bewachte. Die Leiche lag auf einem schmalen Streifen schmutzigen Betons, hinter dem sich noch eine hohe Ficushecke erhob, und teilte sich mit fünf Plastikmülleimern den verfügbaren Raum. Ein batteriebetriebener LAPD-Scheinwerfer tauchte alles in ein grünliches Licht. Milo sagte der Polizistin, sie solle eine Pause von fünf Minuten einlegen. Sie machte einen dankbaren Eindruck, als sie sich zum Kaktusgarten aufmachte.
    Ich ließ die Einzelheiten auf mich wirken.
    Ein schäbiger, ekelhafter Ort; selbst die prachtvollsten Anwesen haben einen, aber auf diesem musste man durch einen halben Hektar Schönheit gehen, um ihn zu finden.
    Der beste Schauplatz für einen Mord auf dem ganzen Grundstück. Jemand, der schon mal hier gewesen war und die Anlage kannte?
    Ich erwähnte diesen Punkt. Milo nahm es zur Kenntnis, sagte aber nichts.
    Ich ging näher an die Leiche heran, trat in grünliches Licht.
    Im Leben war Levitch ein gut aussehender junger Mann gewesen – buchstäblich ein Junge mit goldenen Haaren. Sein markantes Gesicht starrte aufwärts in die Nacht, oben bedeckt von einer Lockenmähne, die seine Schultern streichelte. Prägnante Nase, starkes Kinn, vorstehende Wangenknochen, eine aggressive Stirn. Langfingrige Hände waren zu einem Flehen mit erhobenen Handflächen erstarrt. Die Schöße seines Fracks waren unter ihm zerknittert. Ein gestärktes weißes Hemd, jetzt weitgehend karminrot, war aufgerissen worden und entblößte eine haarlose Brust. Ein Schlitz von siebzehn Zentimetern mit aufgewölbten Rändern verlief vertikal vom Nabel bis zu der Vertiefung unter dem Brustbein des Pianisten. Etwas Blasses, Wurmartiges schaute aus der Wunde heraus. Eine Darmschlinge.
    Levitchs weiße Pique-Fliege war ebenfalls blutbefleckt. Seine Augen waren aus den Höhlen getreten, eine aufgeblähte Zunge hing ihm aus dem Mundwinkel, ein blutiger Ring formte ein Halsband um seine Kehle.
    Ich fragte: »Haben die Sanitäter das Hemd aufgerissen?«
    Er nickte.
    Ich starrte noch einen Moment lang auf die Leiche.
    »Was denkst du?«
    »Baby Boy wurde erstochen, Julie Kipper wurde erwürgt, und dieser arme Kerl hat beides erlitten. War der Schnitt prä- oder postmortal?«
    »Der Gerichtsmediziner sagt, wahrscheinlich prä wegen all dem verspritzten Blut. Dann wurde ihm der Draht um den Hals geschlungen. Was würdest du also sagen? Eine Serie mit Eskalation?«
    »Oder die Strangulation ist das Ziel des Mörders, und manchmal muss er Konzessionen machen. Sadisten und Sexualpsychopathen genießen es, ihre Opfer zu erwürgen, weil es intim ist und langsam geht und die Machtgier stufenweise befriedigt. Julie war ein leichtes Opfer, weil sie klein war und in dem beengten Raum der Toilette in der Falle saß, so dass der Mörder in der Lage war, direkt das zu tun, was ihm am meisten Spaß macht. Levitch wiederum war ein kräftiger junger Mann und musste zuerst kampfunfähig gemacht werden.«
    »Was ist mit Baby Boy? Soweit ich gehört habe, war da nichts um seinen Hals.«
    »Baby Boy war ein großer Mann. Ihn zu erwürgen wäre wirklich nicht leicht gewesen. Und der Tatort in seinem Fall war öffentlich – eine Gasse, auf der leicht jemand vorbeikommen konnte. Vielleicht war der Mörder vorsichtig. Oder irgendwas hat ihn aufgeschreckt, bevor er es zu Ende bringen konnte.«
    »Wäre interessant zu wissen, ob Levitchs Stichwunden zu denen von Baby Boy

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