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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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dieses Bandes wirkt wie eine dieser unerträglich selbstgerechten Personen … die Sorte, die sich einbildet, sie würde schwerer arbeiten als alle anderen. Mehr leisten als ihren Anteil.«
    »Eine Märtyrerin«, sagte Dev, ehe er die Brille abnahm und sich die Augen rieb.
    Ein Blick auf die Uhr verriet Ramsey, dass es schon fast Mitternacht war. »Ja, vermutlich. Aber sie beschreibt ihre Tage auch ausführlicher, nur um zu beweisen, wie fleißig sie war. Hör mal.« Ramsey begann aus dem Buch vorzulesen. »Meine Aufgabe heute war es, den Korb für die Austreibungszeremonie vorzubereiten. Ich habe die Wurzel der Gelbwurz sorgfältig abgeschnitten und sie zu den schönsten Kiefernzapfen gelegt, die ich finden konnte.« Sie sah zu Dev auf. »Eine Austreibungszeremonie. Die hat sie hier drin schon mehrmals erwähnt, aber nie definiert.«
    »Vielleicht war das, wenn sie die unerwünschten Männer rausgeworfen haben«, mutmaßte Dev. »Sie haben sie rausgeworfen, weil sie eine zu starke Konkurrenz im Ringen um die Gunst der Frauen dargestellt oder irgendwie den religiösen Anforderungen nicht entsprochen haben.«
    Ihre Gedanken waren stets um einige Schattierungen schwärzer als seine, was angesichts ihres Berufs vielleicht nicht verwunderlich war. »Was treibt man in der Religion sonst noch aus? Dämonen oder Sünden.«
    »Das Böse.«
    »Und wenn man das Böse austreibt, wodurch hofft man es dann zu ersetzen? Durch Reinheit, stimmt’s?«
    Er hatte ein angedeutetes Lächeln aufgesetzt, während er ihr lauschte, doch er nickte sofort. »Liegt nahe.«
    »Gelbwurz symbolisiert die Reinigung. Kiefernzapfen symbolisieren die Unsterblichkeit.« Und die Einzigen, die der Unsterblichkeit bedurften, waren Tote oder Sterbende, dachte sie. »Das ist es«, sagte Ramsey überzeugt. »Oder zumindest ist es die beste Erklärung, die wir für die Pflanzen auf dem Kirchenfenster finden werden.«
    »Reicht das?«
    »Mir schon.«
    »Gut.« Er schob die vor ihm liegenden Bände beiseite und reckte sich. »Ich muss diese Bücher nämlich in gut vier Stunden zurückbringen, und bis dahin könnte ich vielleicht noch ein klein wenig Schlaf gebrauchen.«
    Sie musterte ihn. Er wirkte ganz und gar nicht müde. Sie lächelte leicht. »Ich seh dir förmlich an, wie erschöpft du bist. Dann bring ich dich jetzt schön ins Bett und fahre ins Motel zurück.«
    In seinen Augen lag ein gefährliches Leuchten, das jede vernünftige Frau argwöhnisch machen musste. »Tatsächlich?« Er schob den Stuhl zurück und erhob sich. »Ich fühle mich ein bisschen schwach auf den Beinen. Wahrscheinlich musst du mich auf dem Weg ins Schlafzimmer stützen.«
    »Du bist wirklich in erbärmlicher Verfassung.« Sie stand auf, legte ihm einen Arm um die Taille, woraufhin er sie rasch an sich drückte. »Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht jegliche Hilfe leisten würde, zu der ich imstande bin.«
    »Du bist eine großzügige Frau, Ramsey«, lobte er amüsiert. Die Arme umeinandergeschlungen, trotteten sie langsam den Flur entlang. »Das hab ich gleich gewusst.«
    Es würde ihm recht geschehen, dachte sie belustigt, wenn sie genau das tat, was sie angekündigt hatte. Ihn schön ordentlich zu Bett bringen, ihm einen Kuss auf die Stirn drücken und zur Tür gehen. Nur um zu hören, was ihm als Nächstes einfiel.
    Er dirigierte sie nach links in ein dunkles Schlafzimmer, wo er sich zum Nachttisch bückte, um die Lampe einzuschalten. Ihr sanfter Schein hellte die Dunkelheit ein wenig auf und verdrängte sie an die Ecken des Betts, wo sie wie ein schwarzer Vorhang verweilte.
    Als sie letztes Mal in Devs Bett gelandet waren, hatte es keine Nachttischlampe gegeben. Sie erinnerte sich schwach an ein Schülerzimmer mit Postern von aufgemotzten Autos und Pin-up-Girls an den Wänden. Sporttrophäen in den Regalen. Offenbar war das Zimmer so gelassen worden, wie es gewesen war, als Dev noch rund um die Uhr hier gelebt hatte.
    Sie war versucht, das Ganze genauer zu erforschen. Sich den Jungen, der er gewesen war, anzusehen, um den Mann, der er geworden war, besser zu verstehen.
    Doch die Kraft dieser Versuchung konnte nicht mit dem Verlangen konkurrieren, das sie empfand, als sie in Devs Augen sah. Als er den Kopf senkte und mit den Lippen ihr Kinn streifte. Hauchzart. Eine Geste, die zu leicht war, um dafür verantwortlich zu sein, dass ihr Puls schlagartig in die Höhe schoss.
    Ihre unmittelbare Reaktion war in gewisser Hinsicht beunruhigend, denn kein Mann hatte je

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