Blutnebel
für alle Mal das verleumderische Schandmaul zu stopfen. Ihr Flittchen von Tochter hat genau das gekriegt, was sie verdient hat, aber sie hat ja nicht aufgehört mit ihrem bösartigen Gerede. Es hätte meinen Vater die Wahl gekostet. Lucas war ein Bauernopfer.« Die Inbrunst in seiner Stimme ließ Ramsey kalte Schauer über den Rücken laufen. »In der Bibel war Abraham bereit, seinen eigenen Sohn zu opfern. Daddy hat seinen Bruder drangegeben. Gottes Wille musste geschehen. Ein solcher Ruf ist einfach unschlagbar – ein Mann, der bereit ist, Gerechtigkeit walten zu lassen, selbst wenn er damit seine eigene Familie belastet. Und wiedergewählt ist er auch worden.«
Mark stieß Devs Fuß mit dem Stiefel an. »Steh schon auf, Junge. Du weißt, dass ich gehofft habe, dich nicht hineinziehen zu müssen. Hab dich immer geliebt wie einen Bruder.«
»Angesichts dessen, was man in deiner Familie unter Loyalität versteht, ist das ja ein schwacher Trost. Bleib unten, Dev.« Ramsey wusste genau, was Rollins vorhatte. Und sobald er Dev erst einmal zum menschlichen Schutzschild umfunktioniert hatte, sanken ihre Chancen erheblich.
Wenn Rollins ihr nur nicht die Pistole abgenommen hätte. Nicht einmal Dev wusste genau, wann die Flinte das letzte Mal abgefeuert worden war. Was, wenn sie versagte? Was, wenn die Patronen zu alt waren?
Ihre Gedanken zersplitterten bei Rollins’ nächsten Worten. »Ich schwöre, wenn du jetzt nicht sofort aufstehst, knall ich die Schlampe ab, wie sie da steht. So soll sie eigentlich nicht sterben. In einem Zustand der Unreinheit. Aber wenn ich es tun muss, hast du sie auf dem Gewissen.«
»Nein!«
Doch Dev war bereits dabei, sich zu erheben, und kam langsam und unter Schmerzen auf die Beine. Er konnte Ramsey gerade noch einen Blick zuwerfen und einen Schritt tun, ehe Rollins ihn vor sich zog und ihm einen Arm um den Hals schlang.
Dann drückte er Dev den Revolver an die Schläfe. »Leg die Schrotflinte weg, Ramsey. So gut bist du nicht.«
Gebt nie eure Waffe her. Wie oft hatte Raiker ihnen das eingeschärft? Lasst es nie dazu kommen, dass ihr völlig wehrlos seid.
»Du weißt nicht, wie gut ich bin, Mark. Es ist schon lange her, dass wir zusammengearbeitet haben.«
»Du hast dich nicht verändert. Du bist eine gottlose Hure. Ich wünschte nur, ich hätte die Gelegenheit genutzt, dich zu reinigen, als es gegangen wäre. Ewig schade, dass dir der rote Nebel im Wald nicht das Leben aus dem Leib gequetscht hat. So wie er es fast mit mir gemacht hätte.«
So wie der Typ daherfaselte, fragte sie sich langsam, ob er einen kompletten Realitätsverlust erlitten hatte. Doch Dev versuchte, sie auf sich aufmerksam zu machen. Zuerst fixierte er sie mit seinem Blick, dann den Boden zu seinen Füßen. Sie runzelte die Stirn und begriff nichts.
»Du hast dir ein paar Freiheiten mit den Austreibungszeremonien der Hochheiligkeit erlaubt, nicht wahr?« Wollte Dev ihr signalisieren, dass er Rollins irgendwie ablenken würde? »Ich wüsste gern, was der Rest eurer Sekte davon hält, dass du in Eigenregie Frauen vergewaltigst und umbringst. Wie diese Frau in Washington, D. C. Wahrscheinlich warst du auf einer Tagung dort und konntest dem Jagdfieber nicht widerstehen.«
»Gott spricht in mir. Durch mich.« Sie zuckte zusammen, als sie sah, dass er den Revolver fester gegen Devs Kopf drückte. »Ich bin jetzt der Älteste unserer Kirche. Genau wie mein Daddy und mein Granddaddy vor mir. Ich brauche nicht auf die Entscheidung der Gruppe zu warten. Sie müssen auch nicht an jeder Austreibungszeremonie teilnehmen.«
Nein, er konnte nicht warten. Wegen der Gier, die ihm mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen war. Und die von der Kirche abgesegneten Zeremonien aus Vergewaltigung und Mord hatten in ihm das Verlangen nach mehr geweckt.
Ramsey hatte kein klares Schussfeld. Sie neigte leicht den Kopf, um einen besseren Winkel zu finden. Devs Augen weiteten sich plötzlich.
Im nächsten Moment ließ er den Kopf zur Seite fallen, wurde in Rollins’ Armen schlaff und brachte ihn durch sein Gewicht aus der Balance. Ramsey blieb nur ein Sekundenbruchteil, ehe sich Rollins wieder gefangen hatte und die Waffe hob. Zielte …
Sie schoss. Der Knall hallte in dem engen Raum wider und machte sie vorübergehend taub. Dev fiel vor ihren Augen zur einen Seite, Rollins zur anderen. Sie hechtete vorwärts und schoss erneut.
Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass der Sheriff auf den Rücken gefallen und vor der
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