Blutnebel
zog eine Visitenkarte heraus und hielt sie der Frau hin. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, das Sie vergessen haben, dann rufen Sie mich bitte unter dieser Nummer an.«
»Ramsey.« Die Frau studierte ihren Namen, als hätte sie ihn noch nie gehört. »Komischer Name für eine Frau.«
Mit verkniffenem Lächeln ließ Ramsey den Wagen an. »Ich bin ja auch eine komische Frau.« Was wahrscheinlich eine der wenigen Wahrheiten war, die hier in den letzten Minuten gesprochen worden waren.
Mary kehrte ins Haus zurück, während Ramsey versuchte, ihr Auto auf den Weg zurückzumanövrieren, ohne ein Huhn zu überfahren.
Im Rückspiegel sah sie den Mann erneut. Diesmal versteckte er sich zwischen den Bäumen, die den Feldweg säumten. Vielleicht befand sich irgendwo in den Wäldern ums Haus eine Methamphetamin-Küche. Jedenfalls gab es einen Grund dafür, dass Mary schlagartig entgegenkommender geworden war, als Ramsey mit einem Hausdurchsuchungsbefehl gedroht hatte.
Sie würde es Rollins erzählen, dann konnte er sich darum kümmern. Es wäre ein Kinderspiel herauszufinden, ob Duane Tibbitts tatsächlich die dritte Schicht in der Fabrik gearbeitet hatte. Doch während sie den Feldweg entlangrumpelte und nach der Zufahrt zum nächsten Haus Ausschau hielt, hatte sie das Gefühl, dass der Rest des Nachmittags genauso fruchtlos verlaufen würde.
Die Dämmerung war gekommen und warf lange Schatten in der sonst so sonnigen Küche. »Bitte«, krächzte Beau Simpson und versuchte, von dem Küchenstuhl mit der runden Lehne aufzustehen. Ein Stoß mit dem Gewehrlauf gegen die Schulter ließ ihn erneut herabsinken, während die Angst seinen Magen zu einem eisigen Knoten verhärtete.
Seine Kehle war staubtrocken, obwohl er gerade ein Bier getrunken hatte. »Das muss doch nicht sein.«
»Doch, das muss sein, Beau.« Die Stimme des anderen Mannes war ruhig. »Man hat dir eine Aufgabe anvertraut. Und du hast sie vermasselt. Irgendwann werden sie die Frau identifizieren. Ist dir klar, was das heißt? Sie identifizieren sie, und das ist alles deine Schuld, weil sie überhaupt nie hätte gefunden werden dürfen!«
Beau versuchte, eine Entgegnung zu finden, irgendetwas, das er sagen könnte. Doch ihm fiel nichts ein. Wenn doch nur Marvella ausnahmsweise einmal früher von ihrer Binokel-Runde nach Hause käme, zu der sie jeden Mittwoch ging. Wenn sie nur ein Mal auf Klatsch und Nachtisch verzichten, Pammy Jo bei ihrer Mutter abholen, nach Hause kommen und diese Szene unterbrechen würde. Und ihm Zeit verschaffen würde, sich eine Ausflucht auszudenken.
»Ich dachte, es käme jemand«, verteidigte er sich. Er hatte Lichter im Wald gesehen. Hatte er wirklich. »Ich dachte, ich lege sie lieber schnell ab, ehe mich jemand sieht. Immer noch besser, man findet sie, als man erwischt mich mit einer Leiche über der Schulter.«
»Du hättest lieber deine Aufgabe ordentlich erledigen sollen, dann säßen wir jetzt nicht in dieser Klemme. Was war deine Aufgabe, Beau?«
Er war eigentlich kein Mann, der nah am Wasser gebaut war, doch nun begann er zu weinen. Schluchzer erschütterten seine große Gestalt. »Ich habe getan, was ich konnte.«
»Was. War. Deine. Aufgabe?« Der andere Mann unterstrich jedes Wort mit einem Gewehrstoß gegen seine Schulter.
Er wollte es nicht aussprechen. Wenn er es aussprach, klang es so, als hätte er versagt, dabei hatte er doch sein Bestes getan! Und es war nichts Schlimmes passiert. Nicht wirklich. Selbst wenn sie den Namen der Frau herausfanden, würde das niemanden auf ihre Spur bringen.
Doch schließlich veranlasste ihn der Blick des anderen, sich mit dem Handrücken die Augen zu wischen und zu gehorchen. Denn das tat Beau immer, wenn ihm dieser Mann etwas sagte.
»Die Kette um die Leiche wickeln und sie am Nordufer ins Wasser werfen.« An der Nordseite fiel der Teich am steilsten ins Wasser ab und war schon einen halben Meter vom Ufer entfernt über fünf Meter tief.
»Genau. Stattdessen hast du sie in seichtes Wasser geworfen und sie nicht einmal beschwert.« Die Stimme war ruhig geworden. Tödlich ruhig.
Beau wusste, wie gefährlich dieser Mann war. Er wusste, dass es sich nicht lohnte, ihn zu verärgern. Doch er war fassungslos vor Schreck, als der andere ihm das aus seinem eigenen Waffenschrank stammende Gewehr in die Hand drückte.
»Du tust jetzt das Richtige.« Sein Tonfall war leise und bezwingend. Beau starrte ungläubig auf den Gewehrlauf und hob den Blick, nur um zu sehen, wie der andere hinten
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