Blutnebel
aus dem Hosenbund eine Pistole zog und sie mit seinen behandschuhten Händen auf Beau richtete.
»Du schließt jetzt die Lippen um den Lauf.« Die Worte klangen so cool und lässig. Als würde er beschreiben, wie man einen Vergaser auseinandernimmt. »Weit genug rein, damit die Kugel in deinen Schädel eindringt und nicht gleich hinten wieder rauskommt. So machst du es richtig.«
»Ich erschieße mich nicht selbst … Du bist ja verrückt!« Beau kam mühsam auf die Beine, wurde jedoch von der Pistole gestoppt, die ihm der andere Mann an die Schläfe drückte. Langsam. Ganz langsam ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken.
»Doch, das tust du, und ich sag dir auch, warum. Denn wenn du es nicht tust, hole ich mir nächstes Mal Marvella. Du weißt noch, was wir alles mit der Letzten gemacht haben? Was du gemacht hast?« Er wartete, bis Beau nickte. »Tja, bei deiner Frau wird es schon härter werden. Dafür sorge ich. Oder vielleicht warte ich auch einfach ein paar Jahre und schnappe mir Pammy Jo. Mache das Gleiche mit ihr.«
Die Tränen brannten in seinen Augen, und die Angst zerriss ihm fast das Herz. »Sie ist doch noch ein kleines Mädchen!«
»Du bist derjenige, der sich das in Erinnerung rufen muss, nicht ich. Du hast Mist gebaut, aber jetzt kannst du das Richtige tun. Du kannst deine Familie retten.« Der andere Mann fasste herüber und führte den Gewehrlauf zu Beaus Mund. »Sonst … sonst sind sie verloren, Beau. Alles deinetwegen.«
Panik überflutete seinen Verstand. Er konnte nicht mehr denken. Er konnte einfach nicht – nicht, solange die mentalen Bilder, die die Worte des anderen in seinen Kopf gepflanzt hatten, in voller Blüte standen. Bilder von Marvella, nackt und breitbeinig wie eine Hure. Oder die süße kleine Pammy Jo, geschändet und zerstört.
Er begann zu zittern, und Schweiß lief ihm in den Nacken, während er krampfhaft nach einem Ausweg suchte. Doch er begriff, dass es keinen gab. Er hatte gesehen, was getan worden war. Er hatte mitgemacht. Und er wusste, wozu dieser Mann fähig war. Er hatte die ganze Zeit gefürchtet, dass es so kommen würde, oder? Er hatte gewusst , dass ein Versagen nicht geduldet würde.
Seine Lippen teilten sich. Er schmeckte kaltes Metall und Waffenöl.
Jetzt auf diesen Mann zu hören war nicht sein größter Fehler. Sein größter Fehler war, dass er überhaupt je auf ihn gehört hatte.
Er dachte an seine Frau und seine kleine Tochter und empfand heftigen Schmerz über den Anblick, der sie empfangen würde, wenn sie zur Hintertür hereinkamen.
Dann drückte er ab.
6. Kapitel
Ramsey schloss mit einem der beiden zur Verfügung stehenden Schlüssel die Tür zu dem mobilen Labor auf und ging hinein. Sie hatte schon oft genug mit Jonesy zusammengearbeitet, um zuerst in dem kleinen Vorraum einen Kittel, Überschuhe, eine Kappe und Plastikhandschuhe überzustreifen, ehe sie das eigentliche Labor betrat. Ärgerlich runzelte sie die Stirn, als sie feststellte, dass Jonesy nicht an der Arbeit war.
Es war kurz vor acht Uhr morgens – nicht gerade mitten in der Nacht. Vielleicht hatte der Wissenschaftler bis spätabends gebraucht, um das Labor in Betrieb zu nehmen, doch sie hatte ihm schließlich eingeschärft, dass sie die Testergebnisse möglichst schnell brauchte, oder nicht?
Sie ging in den hinteren Teil des Labors und sah sich die Röhrchen, Fläschchen und Geräte auf den Arbeitsflächen genauer an. Eines der Geräte – wie es hieß, hätte sie nicht sagen können – summte, und auf seinem Display blinkte ein rotes Lämpchen. Vielleicht hatte Jonesy ja doch schon gestern Abend begonnen. Vielleicht hatte er die ganze Nacht durchgearbeitet und holte jetzt noch Schlaf nach, während die Tests weiterliefen.
Ein leises Geräusch ließ sie herumwirbeln – gerade rechtzeitig, um Jonesy mit nacktem Hinterteil aus dem im hinteren Bereich des Wohnmobils gelegenen Schlafraum kommen zu sehen.
Die nackten Tatsachen brannten sich in ihre Netzhäute ein. »Guter Gott!« Ramsey hob eine Hand vor die Augen. »Schlag mich auf der Stelle mit Blindheit!«
»Himmel noch mal, Ramsey!« Jonesy quiekte wie ein Mädchen. Sie hörte eine Tür knallen und hoffte inständig, dass er sich auf deren anderer Seite befand. »Was zum Teufel hast du denn so arschfrüh hier zu suchen?«
»Tolle Wortwahl«, knurrte sie. »Es ist schon fast acht«, sagte sie mit lauterer Stimme. »Ich dachte eigentlich, du wärst längst am Arbeiten.«
»Ich bediene doch keine Stechuhr,
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