Blutnebel
auf meine Anrufe reagiert, als ich dort war. Ich fand es schade, dass wir uns nicht gesehen haben.«
Die Welle von Schmerz, die über das Gesicht der Frau zog, war ebenso heftig wie tragisch. »Dann hast du wohl noch nichts davon gehört. Das wundert mich, weil die ganze Stadt monatelang darüber getratscht hat. Er ist im Gefängnis.« Die Bitterkeit richtete sich gegen Ramsey. »Die Cops in New York haben ihn reingelegt. Sie wollten, dass er ein paar seiner Freunde verpfeift, und als er sich geweigert hat, haben sie ihm Drogen untergeschoben. Genug, dass er wegen Drogenhandels in den Bau geschickt wurde.«
Ramsey schwieg, während Stryker der Frau sein Mitgefühl aussprach. Raelynn Urdalls Darstellung der Ereignisse könnte durchaus zutreffen. In jeder Polizeibehörde gab es schwarze Schafe. Dennoch war es wahrscheinlicher, dass Tad selbst gedealt und sich geweigert hatte, die größeren Fische in der Verteilerkette zu nennen, und deshalb verurteilt worden war.
Stryker hatte Raelynn inzwischen einen Arm um die Schultern gelegt und seinen Kopf zu ihr geneigt, während sie sich die Augen wischte. »Es tut mir sehr leid, von Tads Problemen zu hören, Ma’am. Grüßen Sie ihn bitte von mir, wenn Sie ihn das nächste Mal sprechen. Es muss wirklich hart für Sie sein. Wie kommen Sie denn zurecht?«
Ramsey hörte seiner Stimme die ehrliche Anteilnahme an und warf ihm einen Blick zu. Es war leichter gewesen, seinem Charme zu widerstehen, solange sie ihn als Kleinstadt-Romeo abtun konnte, der es gewohnt war, Frauen mit seinem sirupsüßen Gerede und seinem gewinnenden Lächeln zu verführen.
Doch da war mehr. Er war mehr. Ramsey trat beklommen von einem Bein aufs andere. Devs unerwartete Tiefen erschütterten ihre altbewährte Abwehr und ließen sie mühsam erworbene Erkenntnisse infrage stellen. Das machte Dev zu einem sehr gefährlichen Mann.
Raelynn Urdall reagierte ebenfalls auf ihn. Allmählich begann Ramsey zu glauben, dass jeder Mensch mit zwei X-Chromosomen auf ihn reagierte. Wenn man von Ausnahmen wie Hannah Ashton heute Morgen absah, schien er imstande zu sein, jede Frau binnen Sekunden zu einer Mixtur aus Augenaufschlägen und gegurrten Antworten zu machen. Selbst Ashton war in seiner Gegenwart ein bisschen aufgetaut, was für sie garantiert eine erwähnenswerte Ausnahme bedeutete.
»Da ist Tad offenbar Unrecht geschehen«, erklärte Dev, während er die Frau langsam über die Veranda führte, den Arm nach wie vor um ihre Schulter gelegt. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Aber das Problem ist, dass heutzutage allzu vielen Menschen Unrecht geschieht. Denken Sie nur an die junge Frau, die vor zwei Wochen tot aufgefunden wurde. Man weiß immer noch nicht, wer es getan hat und warum.«
Raelynns Tränen waren mittlerweile getrocknet, und sie musterte Ramsey mit festem Blick – allerdings nicht mehr ganz so streng wie zuvor. »Ich dachte, das wäre Ihr Job.«
Ramsey nickte langsam. »Stimmt. Aber die Leute hier sind nicht immer bereit, mit einer Fremden zu reden, noch dazu mit einer von der Polizei. Da kann es dauern, bis man Antworten bekommt.« Sie hatte mit gedehntem Südstaatenakzent gesprochen, was ihr leichter fiel als erwartet. Eigentlich hatte sie geglaubt, sich das schon vor Jahren ein für alle Mal abgewöhnt zu haben. Zumindest hatte sie es versucht.
Dev hockte sich auf eine Stufe der Veranda, und Raelynn ließ sich neben ihm nieder. »Wir haben alle unsere Gründe, nehme ich an. Aber es kann wohl nichts schaden, wenn ich Ihnen die Informationen gebe, nach denen Sie gestern gefragt haben. Ich weiß allerdings nicht, was es mit dem Mord an diesem armen Mädchen zu tun haben soll. Sie wollten etwas über Pflanzen wissen, die zum Heilen verwendet werden, haben Sie gesagt.«
»Genau.« Ramsey spürte, dass die andere Frau nun nachgab, und zückte ihr Notizbuch. Rasch schrieb sie mit, während Raelynn mehr Beispiele herunterrasselte, als selbst Cora Beth ihnen genannt hatte.
»Natürlich werden Kräuter nicht nur für Heilzwecke verwendet«, erklärte die Frau zum Schluss.
Ramsey horchte auf. »Für was noch?«, fragte sie.
»Blumen tragen eine spezielle Bedeutung. Die Magnolie steht für Vornehmheit und die Narzisse für unerwiderte Liebe.« Raelynn zuckte die Achseln, als sei das alles belanglos. »Ich gebe nichts darauf, verstehen Sie, aber andere schon.«
»Und wenn ich jetzt ein Exemplar von allem kaufen möchte, was Sie anpflanzen?«, fragte Ramsey, die in ihrer
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