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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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Wohnung, die einer Platane glichen, aber der Zaubernußfamilie angehörten, waren vor einem Monat schon gelb geworden. Während ich mit dem Rücken zum Fenster stand, hörte ich einen Plop an meinem Fenster, schaute hin und sah mit Hilfe des Lichts aus der Nachbarwohnung einen kleinen Sprung im Glas. Ich sah, daß kein Wind wehte, weil ihre Weihnachtslichter sich nicht bewegten. Als ich die Tür öffnete, hörte ich ein weiteres klick links von mir, und dann sah ich den Kieselstein auf meinen Balkon fallen. Was zum Himmel soll das, dachte ich und wußte, daß es Roland war; ich wußte es und wußte, daß ich es nicht beweisen konnte. Ich wußte, daß ich ihn nicht sehen würde, wenn ich mich über die Brüstung lehnte. Einen Moment lang glaubte ich, daß sich in den Büschen, die zur Bucht führten, einige Meter entfernt etwas bewegte, und dachte; >wenigstens kann er gut werfen<.
    Ich ging rein, machte die Tür zu und befestigte meinen Besen am Türgriff. Ich überprüfte, ob die Tür verschlossen war und wartete dann zwei Stunden im Dunkeln, bevor ich schlafen ging.
    Am Morgen, als ich zur Arbeit fuhr, sah ich, nicht gegenüber meiner Tür, sondern der nächsten, eine braune weibliche Spießente zwischen den Eisenstäben des Geländers in U-Form festgemacht, mit dem Schwanz nach außen und dem Kopf und den Beinen nach innen. Ich ging wieder hinein, nahm eine Plastiktüte und einige Papiertücher und legte das Tier hinein. Und jetzt erzähle mir einer, das hätte der Vogel selbst fertiggebracht.
     

Stu Hollings entschied sich, mich direkt am Montagmorgen nach Westminster zu schicken. Klein Saigon. Die Polizisten sagen, daß dies eine schnellebige Wache ist, da es viel Gewalt unter Immigranten gibt. So viele Kriminelle und so wenig Zeit. In Long Beach, im Bereich Los Angeles ist es das gleiche. In beiden Städten sind die Kontraste neuer, die Abnutzung frischer. Obwohl in Westminster die Straßenschilder noch in altem Englisch beschriftet sind, sieht man dort jetzt vierzehnjährige Gewaltverbrecher asiatischer Herkunft mit Magnums und Gewehren durch die Straße laufen. Sie brechen in Häuser ein und bringen betende Frauen um oder jeden, der ihr Bedürfnis nach verstecktem Gut nicht befriedigt; diese Verbrechen werden oft nicht angezeigt, weil die Leute Angst haben. Man braucht nur die Nachrichten anzusehen, einen Blick in die Geschichte zu werfen — es sind die ganz Jungen. Sie kennen keine Gnade.
    Mein Boss und ich gingen gerade die Stufen zum Vordereingang des Labors hoch — eine frisch geteerte Straße zwang uns dazu, auf der anderen Straßenseite zu parken — als er mir von der Schießerei in Westminster erzählte. Stu hatte gerade Doughnuts gekauft und hielt den weißen Karton in den Händen, ein Zeichen dafür, daß er schon im Labor gewesen und wieder rausgegangen war. Wie das kleine Schweinchen, das immer früher aufsteht, um den großen bösen Wolf zu überlisten, kann man Stu Hollings nicht zuvorkommen. Joe war vor seinem Herzinfarkt genauso gewesen, morgens als Erster da und abends als Letzter raus, und ich hatte versucht, ihn zu übertreffen. Jetzt aber nicht mehr. Nicht nur, kommt Joe jetzt nicht mehr so früh, es macht auch keinen Spaß mehr.
    Stu hielt mir die Tür auf. »Es handelt sich um einen Mord an einem zweiundvierzigjährigen Besitzer eines Doughnutladens.« Für einen Moment dachte ich, daß er seine Doughnuts doch wohl nicht dort gekauft hatte.
    Wir gingen hinein und machten am Empfang bei Kathleen Kennedy halt. Sie hatte einen kleinen, noch nicht dekorierten Weihnachtsbaum auf den Tisch an der Wand gestellt. Kathleen war nicht zu sehen, aber plötzlich fegte sie um die Ecke mit einer Elfe auf einem Schlitten und der Mütze des Weihnachtsmannes auf dem Kopf. Sie lachte, als sie uns sah und fragte: »Ist das nicht süß?« und drehte die Weihnachtsmannelfe herum.
    Ich nickte und ging die Halle herunter, Stu hinter mir. Als er auf meiner Höhe war, sagte er: »Sie ist wirklich nett, nicht wahr?« und wartete dann auf meine Zustimmung mit einem Glänzen in den Augen. Manchmal denke ich, daß ich keine Frau bin — weder Frau noch Mann. Ich schaue mir Kathleen Kennedy oder die Sekretärin des Direktors an, die mit den Hüften wackelt und die Jungs mit ihrem hellen Lachen glücklich macht, oder andere Frauen, die mir einfallen und denke, daß ich nicht bin wie sie. Wer bin ich also? Ich mag Männer, mag sie lieber als mir recht ist. Aber ich möchte keiner sein. Die Kathleens dieser Welt sind

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