Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
anstellte, half er ihm beim Aufschlagen. Orkhände waren eigentlich viel zu klobig für menschliche Schriften. Trotzdem schaffte es Rowan nach einiger Zeit, die Seiten so umzublättern, dass sie nicht dabei einrissen oder zerknitterten. Der junge Krieger sah sich alle Zeichnungen interessiert an, aber auch bei ihm sprang kein Funke über.
»Tut mir leid«, sagte er nach einer Weile. »Ich kann in den Bildern nichts Besonderes erkennen. Trotzdem würde ich mich am liebsten deiner Schar anschließen.«
»Warum?« Uroks rechte Augenbraue wanderte vor Überraschung in die Höhe.
»Weiß nicht.« Rowan reichte ihm den Einband zurück. »Vermutlich, weil mich Tabors Überheblichkeit genauso ärgert wie dich.«
Sie grinsten einander wissend an und starrten dann wieder ins Feuer. »Gut, schließ dich mir an.« Urok ließ das Angebot spöttisch klingen, hätte aber in Wirklichkeit nichts dagegen gehabt, Rowan für sich zu gewinnen.
»Lieber nicht.« Der junge Ork präsentierte sein kräftiges Gebiss, während er leise vor sich hin gluckste. »Dann wäre ich ja der Einzige, der dir gehorchen muss.«
»Du wärst aber auch mein Rechter Arm.« Urok musste selbst lachen, als ihm klarwurde, wie unsinnig sein Vorschlag war. Rowan riskierte jetzt schon, von allen Ranar verachtet zu werden. Einen Geächteten zu begleiten, hätte auch ihn endgültig zu einem Ausgestoßenen gemacht.
Nach einer Weile stand er auf und beugte sich schweigend zu Urok herab. Beide schlugen ihre Stirnplatten gegeneinander wie alte Freunde. Dann stahl sich Rowan davon, wie er gekommen war.
Still und leise, wie ein Dieb in der Nacht.
FELSNEST
16
N ach einer unruhigen, von wilden Träumen geprägten Nacht erwachte Urok mit knurrendem Magen. Mürrisch packte er seine wenigen Habseligkeiten beim ersten Sonnenstrahl zusammen und machte sich auf den Weg ins Grenzland. Die Ehre gebot ihm, sein gegebenes Versprechen einzulösen.
Und danach? Er wusste es nicht. Orks genossen kein sonderlich hohes Ansehen bei den Hellhäutern. Trotzdem verspürte er den unwiderstehlichen Drang, Cabras und Ragon zu durchwandern, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass Ragmars Zeichnungen der Wirklichkeit entsprachen.
Schwärme von Totenköpflingen bevölkerten die Luft, während er sich anschickte, den heimischen Grund zu verlassen. Aufgeregt tanzten sie auf und nieder, als ob sie insgeheim ahnten, dass ihnen die Lichtung schon bald ganz allein gehören würde.
Obwohl der Hunger in Uroks Eingeweiden wühlte, verfiel er umgehend in einen leichten Trab, der ihn rasch über den schmalen, kaum ausgetretenen Pfad trug. In unermüdlichem Wechsel eintausend Schritte laufen und dann eintausend Schritte gehen, auf diese kraftschonende Weise kam er rasch voran. Auf offenem Gelände mochte ein Reiter schneller sein, doch in Arakia mit all seinen unwegsamen Hügeln, Vorsprüngen und dichten Wäldern gab es wohl niemanden, der einen Orkkrieger bei einem Wettrennen schlagen konnte. Nur eine Fahrt über den Amer hätte Urok schneller ans Ziel gebracht.
Dieser Gedanke war verlockend. Falls aber die Teerfischer, die regelmäßig in die Schwarzen Marschen und zurück pendelten, allerdings schon von seinem Disput mit Tabor gehört hatten, konnte er
nicht mehr darauf hoffen, dass sie ihn mitnahmen. Trotzdem änderte er die Richtung, sodass er in einem halben Tagesmarsch den Fluss beim Dorf der Teerfischer erreichen würde. Helles, von Wolken ungetrübtes Licht empfing ihn, als er das grüne Dach des Waldes hinter sich ließ.
Von nun an führte ihn sein Weg eine Weile über nackten Fels, einem geheimen Pfad folgend, den nicht einmal alle Ranar kannten. Nur ein schwindelfreier, in Arakia aufgewachsener Blutork wagte es wohl, über die tief abfallenden Spalten hinwegzusetzen, die Urok ein ums andere Mal mit sicheren Sprüngen bewältigte. Auch die schmalen, kaum fußbreiten Simse schreckten ihn nicht. Mit dem ganzen Leib dicht an die vor ihm liegende Steilwand gepresst, balancierte er geschickt auf Vorsprüngen und Steinwülsten entlang, über ihm nur der klare Himmel, unter ihm gähnende Abgründe, die selbst so robuste Knochen wie die seinen in fingernagelgroße Splitter zu zerschmettern vermochten.
Einige Bergziegen waren die einzigen Zeugen, als er sich an einer über ihm aufragenden Felsnase zu einem höher gelegenen Pfad hinaufzog, auf dem es, über Schründe und Kuppen hinweg, langsam zurück in die Tiefe ging. Die kletterfreudigen Tiere schienen zu wissen oder doch
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