Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
Blutdurst geschwängerten Blick weiterhin auf den Vermummten gerichtet, der ihm am nächsten stand.
Arnur lag nicht viel an Morn, so kräftig er auch war und so ausdauernd er zu arbeiten vermochte. Seinethalben hätten sie den Kerl
ruhig dutzendfach mit Stahl durchbohren können. Doch die Gefahr, dass sein Widerstand vielleicht zur Auslöschung des gesamten Gesindes führte, war einfach zu groß.
Arnur wollte gerade die Halsmuskeln spannen, um Morn noch einmal lauter und schärfer zurechtzuweisen, als sein Peiniger mit einer Hand von ihm abließ, sich die Kapuze abstreifte und rief: »Lass es sein, Halbling! Es gibt keinen Grund zu kämpfen! Ganz davon abgesehen, dass es dir ohnehin niemand danken würde!«
Unter dem Umhang wuchs ein pechschwarzes Gesicht hervor, das trotz des schneeweißen Haares, von dem es umrahmt wurde, irgendwie jugendlich wirkte. Morn sah verblüfft zu der ungewöhnlichen Gestalt auf. Vielleicht weil sie ähnlich spitz zulaufende Ohren hatte wie er selbst.
»Gothars Schattenelfen!«, schrie irgendjemand erschocken. »Der König hat uns die Legion der Toten geschickt!«
Einige Mägde und Knechten nässten sich bei diesem Ausruf ein. Selbst Morn hatte schon von der Legion gehört, all die schrecklichen Geschichten, die über sie im Umlauf waren. Sein Gesicht weiterhin wutverzerrt, ließ er das Beil endlich in den Staub fallen.
Arnur entspannte sich ein wenig, bereute diese Reaktion aber umgehend, als ihn der Schattenelf, der ihn bedroht hatte, mit einem harten Stoß auf den Holzstieg zutrieb. »Los, zu den anderen!«, wurde er dabei angeherrscht.
Während Arnur mehr in die Tiefe fiel, als über die Stufen zu stolpern, trat der Schattenelf einfach ins Leere hinaus und sank neben ihm langsam zu Boden.
Was für ein Anblick. Geradezu grotesk. Und irgendwie unheimlich. Obwohl Arnur Mühe hatte, nicht lang hinzuschlagen, konnte er alles genau verfolgen. Dieser Bastard sprang oder stürzte nicht etwa in die Tiefe, nein, er schwebte tatsächlich sanft auf die Erde hinab!
Gleichzeitig hellte sich seine Haut auf. Von einem Herzschlag auf den anderen wirkte das Gesicht nur noch wie von der Sonne gebräunt, um dann einen Moment später so hell wie frisch vergossene Milch zu schimmern. Aber das war noch nicht alles. Auch die unregelmäßigen,
an Baumrinde erinnernden Linien auf seinem Mantel begannen zu verschwimmen.
Unten angekommen, stieß er Arnur weiter auf die anderen Gefangenen zu. Von allen Seiten des Hofes wurden die Grenzländer zusammengetrieben. Man zwang sie, Morn in ihre Mitte zu nehmen, während Arnur befohlen wurde, nahe des unverhüllten Schattenelfs zu bleiben, der offenbar der Anführer dieses Trupps war. Von allen Seiten eingekesselt und weiterhin mit blankem Stahl bedroht, drängten sich die Männer und Frauen aneinander. Einige junge Mägde weinten leise, weil niemand wusste, was als Nächstes folgte. Thea, sein Weib, schloss ihn kurz in die Arme, dann reichte sie ihm ein sauberes Tuch, mit dem er seine Blutung stillen sollte.
Der Anführer der Elfen wand es ihm sofort aus der Hand und benutzte es stattdessen, um seine rot verschmierte Klinge zu reinigen. Danach ließ er den besudelten Fetzen achtlos in den Staub fallen. Arnur sah davon ab, sich danach zu bücken. Sein Arbeitskittel war ohnehin schon blutdurchtränkt. Er konnte genauso gut warten, bis sich die kleine Wunde von allein schloss.
Oder sich größere und auch tödliche hinzugesellten.
Das Gesicht des Elfen war inzwischen so bleich wie sein Haar geworden, während der Umhang eine kastanienrote Färbung angenommen hatte. Unter dem rundum abschließenden Mantel schimmerten dunkle, eng anliegende Hosen aus weichem Leder und schwarze Stiefel hervor. Der Kerl sah Arnur die ganze Zeit über prüfend an. Selbst als zwei Mägde, die sich im Gesindehaus versteckt hatten, aufgespürt und zu ihnen herausgetrieben wurden, wandte er den Blick kein einziges Mal ab.
Der Schattenelf versuchte ihn nervös zu machen, so viel stand fest. Leider war er damit sehr erfolgreich, wie sich Arnur eingestehen musste. Der blitzartige Überfall, das Wechseln der Hautfarbe – all das hatte ihnen allen den Mut geraubt.
Wenigstens durften die Kinder im Haus bleiben.
Nachdem jede Möglichkeit des Widerstands im Keim erstickt worden war, setzten sich einige ihrer Bewacher auf die Palisade ab, um
dort Posten zu beziehen. Tief hinter die Brustwehr geduckt, spähten sie ins Umland hinaus. Diese Art der Vorsicht musste ihnen in Fleisch und Blut
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