Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
wurden ihre Züge weich und freundlich. »Sieh doch, der Sieg über Raam ist nah!«, lockte sie mit aufpeitschender Stimme. Nur um gleich darauf wieder kalt und fordernd auf ihn einzudringen: »Du bist der Erzstreiter! Nicht sie!«
Uroks Mühen wurden belohnt. Es gelang ihm endlich auszuspucken. Leider zu spät. Die überhebliche Hellhäuterin, die ihn herumzukommandieren versuchte, war plötzlich wieder verschwunden. Stattdessen umhüllte ihn tiefe Dunkelheit wie eine schwarze Decke. Doch es war keine Bewusstlosigkeit, in die er fiel, ganz im Gegenteil. Urok spürte, wie seine zuvor geschlossenen Augenlider in die Höhe sprangen.
Er erwachte in einer feuchten Lache, die nach Erbrochenem roch. Pilzbrocken schwammen darin herum, und auf seinen Lippen klebten Fasern von halb verdautem Bilsenkraut. Stöhnend stemmte er sich in die Höhe, sackte aber sofort wieder zurück, weil sein Kopf zu explodieren schien.
Er schaffte es gerade noch, sich auf den Rücken zu wälzen, mehr nicht. Der Sturm um ihn herum war längst abgeflaut. Nur die Sterne am Nachthimmel funkelten unangenehm laut auf ihn herab.
Die Begegnung mit der Kriegerin – das war nur ein Fiebertraum gewesen, den er nicht zu deuten wusste. Doch was ihn noch viel mehr verwirrte, war die inzwischen verstrichene Zeit. Er hatte den Eindruck gehabt, nur ein kurzes Gespräch lang weggetreten gewesen zu sein, doch über Arakia breitete sich schon wieder die Morgendämmerung aus. Der breite Streifen aufziehender Helligkeit wischte jeden Zweifel davon. Er hatte tatsächlich einen halben Tag und die ganze Nacht in fiebrigem Halbschlaf verbracht.
»O Vuran!«, entfuhr es ihm, als er sich endlich auf die Beine
stemmte. »Warum hast du mich nur mit dieser Feuerhand geschlagen?«
20
I n den Tiefen des Heiligen Hortes
»Gib Acht!«
Die laute Warnung ließ Moa erstarren, noch ehe er das Rehfell zu Ursas Kammer beiseitegeschoben hatte. Dann fiel ihre Stimme in ein undeutliches Murmeln zurück, und er begriff, dass sie im Schlaf zu sich selber sprach. »Gib Acht, Urok. Sie will dich verderben.« Nein, vielmehr sprach sie zu ihrem verrückten Bruder, mit dem sie es wirklich nicht leicht hatte.
Moa lüftete den Vorhang nur eine Handbreite, um zu seiner Herrin hineinzusehen. Ursas Schlafgemach war genauso spartanisch eingerichtet wie die Höhlen der meisten Hüter. Sie selbst lag auf einem großen Berg aus weichen Tierfellen, durch den Pelz eines Frostbären bedeckt. Da sie schlief, floss nur ein dünnes Rinnsal durch die Glutrinne. Das unstet flackernde Licht malte tanzende Schatten auf die rauen Wände, obwohl sich nichts weiter bewegte. Weder die schwere, mit Eisenbändern versehene Eichentruhe in der Ecke noch die abgelegte Kleidung, die an drei eingeschlagenen Haken hing.
Nur die Hüterin warf sich unruhig unter ihrer Decke hin und her.
Ein Blick auf ihre mit Kratzern übersäte Lederschürze, die griffbereit neben dem Fellberg lag, brachte Moa von seinem Vorhaben ab, sie zu wecken. Auch wenn er Befehl hatte, sie sofort zu unterrichten, sobald sich Ulke und seine Getreuen das nächste Mal im Geheimen trafen, wäre es für sie beide beschämend gewesen, sie in diesem Moment der Schwäche aufzurütteln, nur um kurz darauf festzustellen, dass sie ihm nicht bis in die Blutkammer folgen konnte, weil die Aufregung unter den Hohen zu groß war. Und sie war groß, das hatte er deutlich in Ulkes Gesicht gesehen.
Lautlos zog er sich zurück und eilte durch die leeren Gänge davon.
Der Hort lag noch in tiefem Schlaf. Außer einigen draußen postierten Wachen war kaum jemand auf den Beinen. Nur die Hohen, die, durch irgendetwas Ungewöhnliches aufgeschreckt, in die Blutkammer eilten. Doch wo sich die Hohen bewegten, waren ihre persönlichen Diener nicht fern. Moa, der mit den anderen Novizen in einem Trakt lebte, blieb es deshalb nie lange verborgen, wenn sich Ulke und seine Getreuen in aller Heimlichkeit trafen. Denn jene verschlafenen Knappen, die sich deshalb vor der Zeit aus ihren Fellen wühlen mussten, ließen es sich nie nehmen, so laut zu rumoren, dass auch alle anderen davon wach wurden.
Wer im Hort ein Geheimnis wahren wollte, musste zuerst gegenüber den Knappen zu schweigen lernen, hatte ihn Ursa gelehrt, gleich am ersten Tag, als er in ihre Dienste getreten war. Moa wusste inzwischen um die Weisheit dieser Worte. Denn im Gegensatz zu ihm nahmen es viele andere nicht so genau, wenn es darum ging, einen Auftrag still und leise auszuführen. Zwar war den meisten
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