Blutskinder
weil die Polizei vor dreizehn Jahren einen Verdacht gehabt hatte und er selbst regelmäßig unter Anfällen von krankhaftem Misstrauen litt, bewies das noch lange nicht, dass Erin eine Kidnapperin war. Genauso wenig gab es Beweise dafür, dass sie jemals als Prostituierte gearbeitet hatte. Vielleicht hatte Baxter King ja gelogen. Robert war bewusst, dass er sich letzten Endes nur auf seinen Instinkt verließ. Das Dumme war nur, dass dieser ihn noch nie getrogen hatte.
Erneut schaute er zu Louisa hinaus und versuchte, etwas von ihrem Gespräch aufzuschnappen, während Ruby ihn mit Fragen bestürmte. Er war sich ganz sicher, dass der DNS-Test nur bestätigen würde, was er ohnehin schon wusste. Robert berührte Cheryls Hand und dann auch Rubys. Mach, dass sie die Verbindung spüren, flehte er im Stillen.
Louisa kam wieder ins Haus. Sie zog das Band aus ihrem Pferdeschwanz und ihr Haar fiel lose auf ihre Schultern.
Robert sah sie an. Sein Gesicht war kreidebleich. Ungeduldig zupfte Ruby an seiner Hand.
»Dad, lass uns doch endlich gehen.«
Das Baby schrie, und Cheryl stammelte ein neues Schlaflied.
Robert war hin- und hergerissen. Er fühlte sich wie im Auge des Orkans – wohin er auch blickte, toste der Sturm. Dann sah er, wie Louisa am anderen Ende des Raumes mit undurchdringlicher Miene den Kopf schüttelte.
»Dad, ich will hier weg!« Ruby versuchte, Robert wegzuzerren.
Stumm vor Entsetzen fügte Robert langsam Cheryls kalte Finger und Rubys widerstrebende Hand zusammen.
Louisa ließ ihn gewähren.
34
R
obert holte einen Wollschal und legte ihn Cheryl um die Schultern. Sein Herz klopfte zum Zerspringen und er hatte das Gefühl, als würde er aus der Wirklichkeit abdriften. So wie Cheryl. Doch um Rubys Willen musste er unbedingt einen klaren Kopf behalten.
»Cheryl, ist das Ihr Baby?« Er kniete sich neben die zitternde Frau und zeigte auf den Säugling. Die Idee, dass Ruby ein Geschwisterchen haben könnte, war ihm nie gekommen.
»Sie ist krank, nicht wahr?«, fragte die junge Asiatin, die sich neben ihn gehockt hatte und gerade ihren dicken Bauch zurechtrückte. Er warf ihr einen Blick zu. Ihr seidiges schwarzes Haar umfloss sie wie ein Wasserfall.
Er nickte. »Und Sie haben auch keine Ahnung, was passiert sein könnte?«
»Ich habe mir in letzter Zeit öfter von ihr aus der Hand lesen lassen. Normalerweise einmal die Woche. Da ging es ihr immer gut.« Sie hatte einen leichten Midlands-Akzent. »Dieses Wochenende konnte ich nicht kommen, weil ich ein bisschen Ärger zu Hause hatte.« Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. »Aber vorhin war ich schon einmal hier. Als sie nicht öffnete, ging ich durch die Hintertür. Es war schrecklich … Sie hockte jammernd mit dem schreienden Baby in dem unbenutzten Zimmer. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.«
»Und weiter?« Robert streichelte Cheryls schweißfeuchte Hand. Dann versuchte er, ihr das Baby wegzuziehen, doch sie verstärkte ihren Griff und stimmte ein noch lauteres Klagegeheul an.
»Haben Sie jemanden benachrichtigt?«
»Ich bin nach Hause gegangen und habe es meinem älteren Bruder erzählt. Er hat gesagt, er würde erst zur Polizei gehen und dann herkommen. Ich habe dann eine ganze Weile bis hierher gebraucht.« Abermals umfasste sie ihren Bauch. »Wird sie wieder gesund? Sie war immer so nett zu mir.«
Wieder nickte Robert. »Ich glaube schon. Sie hat nur eine Art Schock.« Und das war seine Schuld, daran bestand kein Zweifel. Wenn er die Sache umsichtiger angefangen und Cheryl nicht einfach erzählt hätte, dass er wüsste, wo ihr Baby ist, wäre sie nicht aus dem Pub geflüchtet. Dann hätten sie in Ruhe miteinander reden und ein Treffen zwischen ihr und Ruby vereinbaren können. Er hätte einen Anwalt oder einen Sozialarbeiter hinzuziehen und so den Schock für sie mildern können. Nun konnte er nur noch darauf warten, dass draußen das Blaulicht des Streifenwagens aufflackerte und das Unheil seinen Lauf nahm.
»Das ist nicht dein Kind, stimmt’s, Cheryl?« Das Mädchen streichelte Cheryl über den Rücken. »Komm, erzähl es mir. Überleg mal, was ich dir alles von mir erzählt habe, da kannst du mir ruhig auch mal was verraten.« Sie klang so reif und vernünftig, dass Robert und Louisa sie überrascht anblickten.
Cheryl packte das Baby noch fester, bis es aufhörte zu wimmern. »Natasha«, flüsterte sie, beugte sich hinunter und gab dem Kind einen Kuss auf den flaumigen Kopf.
»Nein, Cheryl«, mischte sich Robert ein. »Das
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