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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Baby hier ist nicht Natasha.«
    Jetzt war der Augenblick gekommen. » Das hier ist Natasha.« Ruby versuchte, ihm auszuweichen, doch er erwischte sie gerade noch. Wieder zog er sie am Arm näher zu Cheryl.
    »Robert, was soll das alles? Lass mich los!« Ruby funkelte ihn wütend an und versuchte sich loszureißen.
    Ihre Worte trafen ihn mitten ins Herz – sie hatte Robert zu ihm gesagt und nicht Dad. Obendrein schlug sie mit ihrer freien Hand nach seiner Schulter und bedachte ihn mit einem hasserfüllten Blick. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich von ihr zu lösen.
    »Ruby, das hier ist deine …«
    »Neiiiiin!« Cheryls langgezogener Schrei drang allen durch Mark und Bein, doch im nächsten Moment begann sie schon, mit klarer, deutlich vernehmbarer Stimme zu singen, und wiegte das Baby dabei sanft in den Armen.

    Hoppe-hoppe Reiter,
    wenn er fällt, dann schreit er.
    Fiel’s Baby in den Brunnen,
    wurd’s nie mehr gefunden.
    Finden sie’s jetzt schnell,
    fährt Mami gleich zur Höll’.

    Die anderen standen stumm und regungslos da, wussten nicht, was sie sagen sollten, und versuchten zu begreifen, was sie da eben gehört hatten. Von einer Sekunde zur anderen wirkte der Raum kalt und finster.
    Als hätte er wie ein Raubtier draußen auf der Lauer gelegen, füllte auf einmal die massige Gestalt eines Mannes die Türöffnung. Er stellte sich als Detective Superintendent George Lumley vor und zeigte Robert kurz seine Dienstmarke. Drei weitere Polizeibeamte, darunter eine Frau, tauchten hinter ihm auf.
    Dann ging alles ganz schnell, auch wenn später keiner von ihnen mehr zu sagen gewusst hätte, wie lange das Ganze eigentlich gedauert hatte oder wann er zuletzt etwas gegessen hatte oder geschlafen hatte oder zu Hause gewesen war – so weit hatten sie sich von ihrem normalen Leben entfernt.
    Zunächst einmal brachte man Robert, Louisa, Ruby und Sarah in die winzige Küche, wo sie mit der Polizistin warten mussten. Aus dem Wohnzimmer drangen Wortfetzen wie Trommelfeuer, die meisten davon knappe Fragen von Lumley.
    »Es ist schon eine ganze Weile her, Cheryl«, sagte er, ein wenig verärgert darüber, dass seine Gegenwart offenbar so wenig Eindruck auf die Frau machte. Erst nach einem eingehenden, zeitraubenden Verhör bekamen sie etwas aus ihr heraus und sie gab – wieder mit Hilfe eines eigenartigen Singsangs – zu, das Baby, das auf ihrem Schoß lag, entführt zu haben.
    Schließlich traf ein Krankenwagen ein. Die Sanitäter untersuchten das Kind, bevor sie es ins Krankenhaus brachten, wo seine verzweifelte Mutter, die sofort zur Polizei gelaufen war, sehnsüchtig wartete.
    Bald war das kleine Reihenhaus erfüllt vom Quäken des Polizeifunks, den neugierigen Blicken der Nachbarn, die sich vor der Tür drängten, und dem geschäftigen Kommen und Gehen der Polizisten. Und über allem lag der Hauch des Todes.
    Als es im Wohnzimmer endlich ruhiger wurde, zwängte sich George Lumley Cheryl gegenüber in einen Sessel und machte sich auf das Geständnis gefasst, auf das er dreizehn Jahre lang gewartet hatte. Er wollte es weder als Lied noch als Gedicht hören, sondern in einfachen, deutlichen Worten.
    »Mrs Varney«, begann er und holte noch einmal tief Luft. »Haben Sie Ihre Tochter Natasha am Samstag, den vierten Januar 1992, getötet?«

    Die Polizistin öffnete ein paar Schränke und ließ Wasser in den Kessel laufen.
    »Wir könnten uns eigentlich einen Tee machen«, sagte sie. Niemand antwortete.
    »Dad, was ist denn bloß los?« Ruby rutschte mit ihrem Stuhl näher an Robert heran. Jetzt war er also wieder Dad, dachte er. Ein gutes Zeichen.
    »Sagen wir, ich habe einen Fehler gemacht. Einen riesengroßen, schrecklichen Fehler.« Als er Rubys Hand nahm, spürte er, wie Louisa ihn mit kaltem Blick musterte. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er. Ihre Wangenknochen waren weiß, die Wangen selbst merklich eingesunken. Sie sah aus, als wüsste sie etwas, was ihm unbekannt war.
    »Ja«, antwortete sie geistesabwesend. »Mir geht’s gut.«
    Es war schon dunkel, als DS Lumley den Befehl gab, den Garten zu durchsuchen. Entlang der Grenze des langen, schmalen Grundstücks wurden Scheinwerfer aufgestellt, die das gesamte Gelände in gleißendes Licht tauchten. Beladen mit Planen, Schaufeln und Kameras trampelten die Polizisten durchs ganze Haus, zur Vordertür hinein und zur Hintertür wieder hinaus. Bald darauf traf das Forensikteam mit Metallkoffern voller Präzisionsinstrumente und anderer High-Tech-Ausrüstung

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