Blutskinder
ein. Alle warteten gespannt darauf, was sie zutage fördern würden.
Einzeln holte man Robert, Louisa, Ruby und Sarah ins Wohnzimmer, wo sie gegenüber DS Lumley ihre Aussagen machen mussten. Als Robert an der Reihe war, stellte er fest, dass man Cheryl fortgebracht hatte. Nur ihr grässliches Lied schien noch zwischen den Wänden widerzuhallen. Die Polizeibeamtin setzte sich Robert gegenüber, und Lumley nahm seine Auskünfte über Cheryl Varney mit Interesse zur Kenntnis.
»Und von alldem hat sie gesprochen, als sie Ihnen aus der Hand las?« Lumley machte eine vage Handbewegung, um anzudeuten, dass er die gesamte Situation meinte. Sein Ton war unangemessen spöttisch, sein Grinsen eine Spur zu höhnisch.
»Ein paar Dinge, die sie sagte, haben tatsächlich Eindruck auf mich gemacht. Aber, wie ich bereits erwähnte, bin ich gar nicht wegen der Wahrsagerei zu ihr gegangen, sondern weil ich glaubte, ich hätte ihre vermisste Tochter gefunden.«
»Lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassen.« Das Grinsen verschwand und wich einer grimmigen Miene. Schuld daran waren Lumleys angespannter Kiefer, die zu Schlitzen verengten Augen und die rot geäderten Wangen eines Mannes, der zu viel trank. »Aufgrund gewisser Umstände waren Sie zu der Überzeugung gelangt, dass Ihre Stieftochter in Wahrheit das entführte Kind von Cheryl Varney ist?«
»Ja.«
»Nachdem Sie die Eltern Ihrer Frau, Mr und Mrs Wystrach, ausfindig gemacht hatten, teilten diese Ihnen mit, dass ihre Tochter ein Kind entführt –«
»Nein«, unterbrach ihn Robert. »Sie zeigten mir Zeitungsberichte, wonach ihre verschwundene Tochter seinerzeit im Zusammenhang mit dem Entführungsfall Varney verdächtigt wurde. Es geschah nämlich am selben Tag. Sie, das heißt, die Polizei, suchten damals nach der Ausreißerin Ruth Wystrach, meiner jetzigen Frau Erin. Und meine Frau hat eine Tochter im selben Alter wie Cheryls Kind. Jetzt brauchen Sie nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen, Superintendent.«
»Mache ich.« Lumley schluckte und fuhr dann fort: »Es bestand tatsächlich Grund zu der Annahme, dass der vermisste Teenager mit der Entführung zu tun hatte. Ein Mädchen, auf das die Beschreibung passte, wurde gesehen, wie es mit einem Baby über genau den Parkplatz lief, auf dem Cheryl Varney ihr Kind unbeaufsichtigt im Auto gelassen hatte.« Erneut machte er eine Pause. »Aber es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei dem Baby auf dem Arm des Mädchens nicht um Cheryls Tochter handelte.«
Robert wurde unsicher. Vielleicht hatte der Detective recht. Offenbar hatte er Louisas Kopfschütteln nach ihrem Gespräch mit James Hammond missverstanden. Ruby war wohl doch Erins leibliche Tochter. Die Identität von Rubys Vater dagegen war nach wie vor unbekannt und würde vielleicht für immer ein Geheimnis bleiben. Doch für Robert machte das keinen Unterschied. Er würde sie lieben, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut. Als wäre ihr gesamtes Leben, die Vergangenheit und die Gegenwart, in seine Hände gelegt.
»Verraten Sie mir eines, Mr Knight. Sie sind doch Anwalt, ein vernünftiger , gerechter Mann mit klarem Urteilsvermögen. Einer, der die Wahrheit erkennt, wenn er sie vor Augen hat.« DS Lumley nahm der Polizistin Stift und Notizblock aus der Hand und legte beides auf den Tisch. »Jetzt mal nicht fürs Protokoll: Was hat Sie eigentlich auf die Idee gebracht, dass Ihre Frau eine Verbrecherin sein könnte?«
Müde beugte sich Robert vornüber und stützte die Ellbogen auf die Knie. Er starrte DS Lumley an.
»Ganz ehrlich?«, fragte Robert und zog die Augenbrauen hoch. »Es war die Angst, sie zu verlieren.«
In diesem Augenblick rannte ein junger Constable an ihnen vorüber und zur Vordertür hinaus. Er hielt die Hand vor den Mund gepresst, sein Gesicht war aschfahl.
»Ich glaube, ich werde gebraucht«, seufzte Lumley und erhob sich. »Bleiben Sie bei Ihrer Frau, Mr Knight. Von zu Hause wegzulaufen ist doch kein Verbrechen. Jemandem mit seinem Misstrauen zu verfolgen sollte dagegen eigentlich strafbar sein.«
Um 2.25 Uhr morgens tat sich endlich etwas.
Nachdem Ruby es aufgegeben hatte, Robert mit Fragen zu löchern, auf die er keine Antwort wusste, war sie schließlich eingeschlafen.
Sarah hatte man mit ihrem Bruder nach Hause geschickt. Zum Abschied hatte sie Robert mit bleichen Lippen und müden Augen zugelächelt.
»Rob«, begann Louisa. Sie saßen noch immer in dem kleinen Wohnzimmer, hofften jedoch, jeden Augenblick von DS Lumley
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