Blutskinder
verneinenden Kopfschütteln die Schultern.
»Es ist alles ganz wunderbar«, sagte sie. »Greywood ist genau das Richtige für Ruby. Hier kann sie einen neuen Anfang machen.«
»Ja«, erwiderte Miss Aucott gedehnt. Mit plötzlichem Herzklopfen beobachtete Robert, dass sie sich die Brille wieder auf die Nase schob und in ihren Unterlagen blätterte. »Deine Mutter hat recht, Ruby. Dem Bericht deiner jetzigen Gesamtschule nach zu urteilen wäre ein neuer Anfang wirklich von Vorteil. Bist du bereit, dich von ganzem Herzen für Greywood einzusetzen?«
»Hundertprozentig«, antwortete Ruby, und ihre dunklen Augen leuchteten vor Begeisterung. »Was auf meiner anderen Schule passiert ist, war nicht meine Schuld«, setzte sie in flehendem Ton hinzu. Dabei zuckten ihre Lider verdächtig.
Wenn sie doch bloß still wäre, bevor sie alles verdirbt, dachte Robert. Womöglich überlegte es sich Miss Aucott noch anders und nahm Ruby doch nicht in Greywood auf. Aber die Direktorin langte über den Schreibtisch und ergriff Rubys Hand.
Ein wenig verlegen, aber auch erleichtert lächelte Ruby, wobei ihr wieder ein paar vorwitzige Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Sie schluckte hörbar und rückte auf einen Wink von Miss Aucott näher an den Schreibtisch heran.
»Greywood wird dein Lebensinhalt werden«, sagte die Schulleiterin leise. »Da bleibt dir gar keine Zeit für Dummheiten.«
Robert hätte Ruby gern in Schutz genommen. Er war drauf und dran, Einspruch zu erheben, als müsste er einen Angeklagten vor Gericht verteidigen. Er würde beweisen, dass sie nichts dafür konnte und die Schuld bei den anderen lag. Doch gerade als er zum Sprechen ansetzte, fing er Erins warnenden Blick auf. Also sagte er nichts und wartete nur ängstlich gespannt auf Rubys Reaktion. Ihre Wangen waren jetzt flammend rot, und ihre schwarzen Augen funkelten. Doch sie versprach mit einem liebenswerten Lächeln: »Ich werde ganz bestimmt brav sein.« Robert und Erin atmeten auf.
»Das hätten wir also geklärt. Dann bis nächsten Montag, Ruby.« Erin zuckte ein wenig zusammen, als Miss Aucott sie ansprach. »Sie haben eine Woche Zeit, um eine Schuluniform zu besorgen, Mrs Knight. Füllen Sie bitte noch das Anmeldeformular aus und reichen es uns zusammen mit Rubys Impfausweis und der Geburtsurkunde ein. Es wäre schön, wenn das Sekretariat die Unterlagen hätte, bevor Ihre Tochter bei uns anfängt.« Dann wandte sich die Direktorin an Robert. »Sie bekommen von uns eine Rechnung für den Rest des Schuljahres, Mr Knight. Bitte sorgen Sie dafür, dass das Schulgeld pünktlich überwiesen wird.«
»Selbstverständlich.« Robert hielt das Gespräch für beendet, stand auf und schüttelte der Schulleiterin die Hand. »Ruby wird Sie bestimmt nicht enttäuschen.« Er hielt Miss Aucotts knochige Finger einen Augenblick zu lange fest. Dann streckte die Schulleiterin Erin die Hand hin. Doch Robert stellte erstaunt fest, dass seine Frau die Geste gar nicht beachtete. »Erin?«, sagte er. »Es ist Zeit zu gehen.«
Erin rührte sich nicht. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und in ihren Augen schimmerten Tränen. So erschüttert hatte Robert sie erst einmal gesehen – als er sie nach der Hochzeit mit Flitterwochen auf Barbados überrascht hatte. Wegen Erins krankhafter Flugangst war aus der Reise leider nichts geworden.
»Bist du so weit, Erin?« Robert legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter, um sie aus ihrer Trance zu wecken. Anscheinend hatte ihr die gute Nachricht einen Schock versetzt. »Wir müssen gehen, Schatz.«
Erin fuhr zusammen, als wäre sie aus einem bösen Traum erwacht. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich war nur …« Sie ignorierte weiterhin die Hand, die Miss Aucott ihr zum Abschied reichte, erhob sich und eilte mit raschen Schritten zur Tür.
Mit gerunzelter Stirn ging Robert Knight seiner Familie voraus. Für ihn war klar, dass Ruby am folgenden Montag in Schuluniform, mit sorgfältig gepackter Tasche und ordentlich zurückgekämmtem Haar hier erscheinen würde. Bereit für einen Neuanfang. Er trat aus der Eingangshalle mit dem Marmorboden hinaus in den sonnigen Nachmittag. Der Sommersmog hing wie eine Glocke über der Stadt. Robert blieb stehen und wandte sich den beiden Menschen zu, die ihm das Wichtigste auf der Welt waren.
»Du warst einfach fantastisch«, sagte er und umarmte Ruby. »Kommt, gehen wir zur Feier des Tages etwas Kaltes trinken.« Sein Gesicht, das im Gerichtssaal stets wie eine undurchdringliche Maske
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