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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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wieder an zu treten, als wollte er schon raus.
    »War das Kotelett nichts für dich, mein Schätzchen?«, frage ich und reibe mir kräftig den Bauch, bis er sich wieder beruhigt hat. Ich werde eine gute Mutter sein, auch wenn ich erst fünfzehn bin.

4
    R
    obert ließ sich auf das Sofa mit dem Leinenüberzug fallen. Er legte den Kopf auf das weiche Kissen, bedeckte die Augen mit den Händen und unterdrückte ein Stöhnen. Unversehens war eine Erinnerung in ihm aufgestiegen.
    »Ich weiß nur zwei Dinge genau, Robert. Nämlich, dass du neurotisch bist und dass ich blöd bin.« Mit diesen Worten hatte sich Jenna ihre Autoschlüssel geschnappt, war aus dem Haus gerannt und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Gleich darauf hatte er gehört, wie ihr Wagen mit heulendem Motor in der Nacht verschwand.
    Gefangen in diesen Gedanken an die Vergangenheit, entfuhr Robert unwillkürlich ein gequältes Stöhnen. Doch schon im nächsten Augenblick hätte er seine Frau am liebsten mit Beschimpfungen überhäuft. Stattdessen sagte er bloß: »Du willst mich auf den Arm nehmen, nicht wahr?« Er war selbst erstaunt, dass er so ruhig bleiben konnte. Das machte sein Beruf. Er starrte Erin ungläubig an, bevor er seinen Kopf wieder auf das Kissen sinken ließ. Offensichtlich meinte seine Frau es ernst.
    »Wir dürfen nicht zulassen, dass sie vor ihren Problemen davonläuft.« Erin schluckte so laut, dass Robert es hören konnte.
    Langsam richtete er sich auf und erhob sich vom Sofa. Er war noch nicht angezogen und trug nur Boxershorts und einen bis zur Taille offenen Morgenmantel. Sein dichtes, dunkles Haar, das er normalerweise unauffällig frisiert trug, stand ihm strubbelig vom Kopf ab. Robert fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, rieb sich die Augen, massierte seine Schläfen. Seit ein paar Tagen schlief er nicht gut, was vor allem am Bowman-Fall lag. Es setzte ihm hart zu, dass man zwei unschuldige Kinder ihrer Mutter wegnehmen wollte.
    »Aber sie fängt morgen dort an! Was zum Teufel denkst du dir bloß dabei?« Robert stand neben seiner Frau und blickte auf ihren blonden Kopf hinab. Er hatte Lust, ihr mit den Fingern durch das feine Haar zu streichen, doch zugleich hätte er sie am liebsten so lange in den Schrank gesperrt, bis Ruby ihren Abschluss auf dem Greywood College gemacht hatte.
    »Ich habe die verdammten Gebühren bezahlt, und sie hat auch schon die Uniform.« Gereizt tigerte Robert vor Erin auf und ab.
    Zum ersten Mal hatte sie es um sechs Uhr morgens erwähnt. Er hatte geglaubt, noch zu träumen, als Erin ihm die fatalen Worte ins Ohr geflüstert hatte – Worte, die ihre Tochter vernichtet hätten, wenn sie ihr zu Ohren gekommen wären: »Ruby geht nicht nach Greywood. Ich erlaube es nicht.«
    Das konnte doch bloß ein schlechter Traum sein. Robert schlief wieder ein, doch zwei Stunden später wurde er erneut von diesen Worten geweckt. Erin hatte sich über ihn gebeugt; ihr T-Shirt war hochgerutscht, die warme Haut roch nach Schlaf.
    »Ich kann nicht zulassen, dass sie vor ihren Problemen davonläuft.«
    »Ich wüsste nicht, was sie sonst tun sollte«, antwortete Robert und reckte sich. Noch halb benommen vom Schlaf, war er überzeugt, dass er seine Frau umstimmen konnte.
    »Meine Entscheidung steht fest«, sagte sie. »Ich werde es Ruby nachher sagen.« Dabei blickte sie Robert nicht an.
    Es gelang ihm nicht, sie umzustimmen, obwohl die Gründe für ihren plötzlichen Meinungsumschwung – dass man vor seinen Problemen nicht weglaufen dürfe – wenig überzeugend klangen.
    Seit er die beiden sechs Monate zuvor kennengelernt hatte, wusste Robert, was Ruby in der Schule durchmachen musste. Es hatte ganz harmlos angefangen, mit ein paar Spottnamen, höhnischen Bemerkungen und Streichen auf dem Schulhof, doch dann kamen unangenehme Telefonanrufe dazu, und Ruby wurden in der Schule Sachen gestohlen. Der Direktor tat Rubys Beschwerden als übertrieben ab, zumal das Mädchen wegen seines musikalischen Talents ohnehin als etwas absonderlich galt. Schwerwiegendere Vorfälle wurden zwar halbherzig untersucht, doch da sich Ruby weigerte, Namen zu nennen, gab man die Nachforschungen bald wieder auf.
    Robert ging in die Küche und goss sich eine Tasse starken Kaffee ein. Er schaute durch die Doppeltür zu seiner Frau hinüber. Mit hängenden Armen stand Erin auf dem kleinen Teppich, wie ein einsamer junger Baum auf einer Insel. Langsam hob sie den Kopf und schaute ihm in die Augen. Sie öffnete den Mund, schloss ihn

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