Blutskizzen
immer dazu, dicke Sultane, Turbane, Wasserpfeifen und die Mondsichel.
»Er ist weg, Ernst. Ich bin sicher, er ist weg.«
»Ach, weißt du, da draußen laufen so viele rum, die eigentlich eingesperrt gehören, da kommt es auf den einen auch nicht mehr an.«
Er sieht den erstaunten Blick, zuckt mit den Schultern.
»Kann man denn mit dieser Einstellung Polizist sein?«
Er lässt sich einen Augenblick Zeit.
»Ich glaube, es ist die einzige, die möglich ist.«
An den Füßen wird es zu warm, Motor aus. Die Müdigkeit zieht an den Augenlidern, einmal die Sitzposition verändern, es hilft nur kurz.
»Darf ich einen von deinen Zigarillos schnorren, gegen die Müdigkeit?«
Er hält wortlos den Kasten hin, noch drei Stück.
»Ne, nicht die letzten.«
»Nimm, bitte, ich muss mir morgen, ich meine heute, eh neue besorgen.« Er steckt sich auch eine an. »Und ich müsste dringend zur Bank und was regeln.«
»Ich müsste dringend ein original Schalke-Trikot besorgen.«
»Für dich?« Amüsierter Unterton.
»Blödmann. Nein, ich habe was gutzumachen bei meinem Neffen. Sind nur ziemlich teuer, die Dinger. Fünfundsechzig Euro.«
Er nimmt einen Zug, inhaliert tief.
»Wär schon nicht schlecht, wenn man alles im Leben mit fünfundsechzig Euro wiedergutmachen könnte.«
»Mein Gott, Ernst, große Sätze am frühen Morgen?«
Stimmt aber.
Fünf Uhr. Sechs kommt die Ablösung.
Die weiße Katze ist wieder da.
08 Uhr 19
Die Kaffeemaschine liegt in den letzten Zügen, hört sich fast ein wenig an wie ein kranker Mann. Die meisten Kollegen haben Gesichter wie alte Schuhe, hängen rum, tun eigentlich nichts. Ulla kommt rein, schwungvoll, sieht besser aus als gestern Abend.
»So, Leute, bleibt sitzen, stehen, liegen, wie ihr wollt. Nur ganz kurz, dann könnt ihr ins Bettchen. Wir können jetzt nämlich sicher sein, dass Michels weg ist, denn seit zehn Minuten weiß ich, dass er gestern Abend um kurz vor zehn in Hamburg mit seiner Karte zweitausend Euro gezogen hat.«
Erschöpftes Fluchen in der Runde.
»Hätten wir uns das alles sparen können, nun gut. Die örtliche Fahndung ist damit natürlich zu Ende. Atze und ich leiern...«
Die Tür geht auf, Oliver kommt rein, grüßt, fast verlegen. Einige bringen letzte Energie für Sprüche auf, anerkennendes Frotzeln.
„Was machst du denn hier?« Ulla beendet es. »Müsstest du nicht im LKA sein an einem Freitagmorgen?«
Oli setzt sich auf eine Tischkante neben Edda.
»Ich mache ein verlängertes Wochenende bei meinen Eltern. Außerdem hatte ich einige Infos für euch, und ich wollte sowieso noch mal persönlich vorbeikommen.«
»Was Wichtiges?«
»Ich will eure Besprechung nicht stören, aber ich habe mir die Akte Neumann angesehen und ich glaube, dass der nicht von Michels getötet worden ist.«
»Warum meinst du das? So eine Idee hatten wir auch schon.«
»Die wichtigsten Punkte sind«, er zählt mit den Fingern auf: »Er ist anders erwürgt worden, nämlich mit einer Schnur, er ist eindeutig heterosexuell, und - das spricht am meisten dafür - die Täter waren anschließend in seiner Wohnung, es ist also ein eindeutiger Raubmord.«
Keiner sagt etwas, einige nicken.
»Dann gibt es noch verschiedene andere Details. Zum Beispiel ist Neumann größer und schwerer als die anderen Opfer, die alle relativ klein und schlank waren. Könnte auch ein Kriterium für Michels gewesen sein.«
»Okay, Oli«, wieder Ulla, »wir haben die Nacht durchgemacht und hängen etwas in den Seilen, wie du siehst. Wir treffen uns heute Nachmittag um fünfzehn Uhr wieder und sortieren dann die Sache neu. Kannst du dann auch dabei sein?«
Er nickt.
»Wahrscheinlich werden wir die Verfahren wieder trennen und für Neumann eine eigene MK bilden. Bei Michels könnte es gut sein, dass ihr dafür in der nächsten Woche den ganz offiziellen Antrag für eine vergleichende Fallanalyse bekommt.« Wieder für Oli, der nickt. »Ach ja, die Hamburger Kollegen sind natürlich informiert, aber der ist mit Sicherheit schon nicht mehr in Hamburg. Wenn sonst keiner mehr was hat, schlage ich vor, wir gehen jetzt nach Hause und schlafen. Atze und ich sind um fünfzehn Uhr wieder hier und planen das Wochenende. Seht mal, ob ihr das schaffen könnt.«
Sie wartet noch zwei Sekunden, ein Blick in die Runde, Aufbruch. Die Stimmung ist träge, einige bleiben noch stehen, trinken ihren Kaffee aus. Oliver kommt rüber.
»Morgen, Konni. Siehst ganz schön müde aus.«
»Um die Zeit geht es fast schon wieder,
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