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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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Augen, nimmt einen Schwamm, ein Wischer über die Platte. »Jetzt wohne ich eh bald nicht mehr da.« Ausspülen, das Wasser lässt ihre Haut schimmern, die hellen Innenhände leuchten. »Schön, dich mal wiederzusehen.« Sie hält inne, lächelt.
    »Ja, sehr schön. Ich habe öfter mal an dich gedacht.« Scheiße. Öfter mal. Klingt bescheuert. »Also, schon häufig, ich meine, ich bin halt völlig überrascht.« Sie sagt nichts. »Freudig. Freudig überrascht, sehr.« Sie lacht zurückhaltend amüsiert. Was für ein Gelalle, am besten jetzt das Maul halten. »Ich freu mich eben, dich wiederzusehen.« War jetzt sehr ehrlich. Sie hält inne, kriegt es mit. »Was machst du überhaupt hier, wo ist Sener?«
    »In Izmir. Ein Großonkel von mir, sein Cousin, ist gestorben. Der hatte keine Kinder, aber zwei Häuser und ein bisschen Besitz, da waren einige Erbschaftsdinge zu regeln. Die beiden hatten sich zwar zwanzig Jahre nicht gesehen, seit Onkel Sener nach Deutschland gegangen ist, waren aber gute Freunde. Der Kontakt ist nie abgerissen.«
    »Und jetzt hältst du den Laden hier am Laufen?«
    »Ja, das passte ganz gut, so zwischen Examen und neuer Stelle.«
    »Neue Stelle? Auch in Berlin.«
    »Ne, leider nicht. Ganz woanders, in Stuttgart.«
    »Stuttgart?«
    »Richtig. Kenne ich auch noch nicht, aber als Anfänger darf man mit BWL nicht wählerisch sein. Und ich bin ja ungebunden, also, ruhig mal was Neues kennen lernen.«
    Ungebunden. Hat die jetzt anders geguckt, war das ein Hinweis?
    »Stuttgart! War ich noch nie.« Mal testen.
    »Ich bis zum Vorstellungsgespräch auch nicht.« Sie trocknet Gläser ab, hält sie gegen das Licht, räumt weg. Keine Reaktion. Doch kein Hinweis. »Kann ja mal berichten, wie es da so ist. Denn mit dem Besuchen hat’s ja in Berlin auch nicht geklappt.« Am Glas vorbei, für eine Sekunde.
    Aha! Vielleicht doch.
    Martha kommt aus der Küche, ärmelloser Blümchenkittel, grüßt, gießt sich ein Glas Wasser ein.
    »Mit Marthas Hilfe schaffe ich das schon.« Sie lächeln sich zu, Martha verschwindet wieder, die Tür pendelt nach.
    »Das heißt, du bist noch eine Zeit lang hier?«
    »Klar, bis Onkel Sener wiederkommt. Meinen neuen Job fange ich erst Anfang Januar an. Also, Zeit genug. Ich nehme aber an, dass er nicht länger als eine Woche wegbleibt. Ich werde ihn morgen mal anrufen.«
    »Schön, dann werden wir uns ja öfter sehen, die nächste Zeit.«
    Ein wortloses Lächeln.
    »Ich will dann mal, war ein langer Tag, und morgen wird auch nicht besser. Wir könnten ja mal…«, nein, zu früh, »... ist auch egal. Schönen Abend noch.«
    »Gute Nacht. Man sieht sich sicher.« Sie wirft das Handtuch über die Schulter, winkt kurz.
    Draußen regnet es Bindfäden.
    Ayse ist da.

FREITAG

08 Uhr 35
    Er blättert in seinem schwarzen Notizbuch, steht auf, geht zum Wandkalender. Mit dem Zeigefinger fährt er von oben den Oktober ab bis zur Neunzehn, schwarzer Fingernagel.
    »Hier ist auch nichts Besonderes eingetragen.« Er dreht sich um. »Dann bin ich an dem Tag wahrscheinlich meine ganz normale Mittwochstour gefahren.«
    Ernst notiert, sieht auf. »Und wann sind Sie dann normal zu Hause?«
    »Meistens zwischen acht und halb neun abends.«
    »Aber genau können Sie nicht mehr sagen, wo Sie an dem Tag gewesen sind?«
    Er zieht das Kinn kraus. »Das wird wie jeden Mittwoch gewesen sein, große Abweichungen gibt es da selten. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Kunden aufschreiben.«
    Ernst sieht rüber, verneinender Blick. Sehe ich auch so.
    »Nicht nötig, Herr Griese. Können wir jetzt rausgehen und uns den Wagen ansehen?«
    Er nimmt die Schlüssel, geht vor. Der VW steht in einer Parkbucht im Hof, hellgrau, an der Seite dunkle Aufschrift »Griese«.
    »Sie müssten einmal kurz das Licht anmachen und die Bremse betätigen.«
    Er setzt sich rein, die Zündung. Beide Rücklichter brennen, dreimal auf die Bremse, alles leuchtet.
    »Das war’s schon, Herr Griese. Vielen Dank. Ach, gab es in letzter Zeit kleinere Reparaturen an dem Wagen?« Gab es nicht.
    Ernst schließt auf, Abfahrt.
    Es wird hell, durch den Schein der Straßenlaternen schweben kleine Tropfen, oder ist das schon Schnee? Im Asphalt kommt an manchen Stellen das alte Kopfsteinpflaster durch.
    »Einen haben wir noch in der Gegend. Müller und Müller, Spedition. Wollen hoffen, dass die Kiste nicht auch schon unterwegs ist wie beim Ersten. Ist nur drei Straßen weiter, fast um die Ecke.«
    Ernst trommelt mit den Fingern aufs Lenkrad.
    »Da

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