Blutskizzen
beiden Packer immer noch.
Ernst steckt den Schlüssel ins Schloss, startet.
10 Uhr 14
Der Parkplatz ist dünn besetzt, zum Eingang hin stehen die Autos dichter. Eine junge Mutter bugsiert ihren Einkaufswagen mit Mühe zwischen den Autos durch, das Kind zappelt mit Händen und Füßen. Hat was von’nem Käfer. Die Sachen stapeln sich bis unter den Kindersitz, sie hat Mühe beim Kurvenfahren, kein Wunder. Ein Paket Nudeln fällt herunter, sie hebt es auf, klemmt es zwischen Windeln und Kindersitz fest. Was für ein Berg, das reicht doch mindestens für zwei Monate.
Ernst parkt den Wagen direkt vor dem Holzverschlag. Die Müllcontainer stehen direkt dahinter an der Hauswand, immer noch drei. Um die Griffe eine glänzende Kette, mehrfach geschlungen, mit Vorhängeschloss. Doch was gelernt.
»Ganz brauchbarer Ort zum Leicheablegen, oder? Der Scheinwerfer«, er zeigt nach oben, »mit Bewegungsmelder war damals noch nicht da.«
An der Dachkante ein Strahler, direkt daneben eine Amsel. Ein Flügel der Stahltür öffnet sich, ein Mädchen im weißen Kittel zieht eine Palette mit leeren Bierkisten zum Gitterverschlag, schließt auf. Misstrauischer Blick über die Schulter.
»Wir sind von der Polizei.« Sie hebt kurz die Hand, fährt in den Verschlag.
»Das wollte ich dir auch noch zeigen, komm mal mit.« Ernst geht zur Böschung gegenüber, neben dem Verschlag ein Durchgang zwischen zwei Sträuchern, braune, labbrige Blätter, feuchte Grasbüschel. Er biegt die Zweige zur Seite, geht auf ein paar Tannen zu.
»Was ist eigentlich auf der anderen Seite? Müsste die Industriestraße sein.«
»Richtig, ist der Lärmschutzwall.« Er bleibt stehen, zieht einen Tannenzweig zur Seite. »Hier, das wollte ich dir zeigen.«
Zwischen den Tannen in einem Meter Höhe ein Dach aus Plastikfolie, an Ästen festgezurrt, darunter Pappe und Schaumstoff. Bunte Plastiktüten, leere Flaschen, ein paar Bierdosen.
»Ein Pennernest. Sieht noch bewohnt aus.«
»Finde ich auch.« Er lässt den Ast zurückschnellen. »Für die DNA haben wir ein paar Dosen mitgenommen, und wir haben es ein paar Tage observiert, aber der Bewohner kommt wohl nur sporadisch, vielleicht ist er auch von dem Riesenauflauf nach dem Fund vertrieben worden. Ansonsten habe ich den Kollegen von der PI gesagt, sie sollen im Rahmen der Streife ab und zu mal vorbeifahren. Bis jetzt ohne Erfolg.«
»Sieht auch so aus, als ob hier nur einer wohnt.«
»Gut möglich. Bisschen weit außerhalb, aber sicher, einsam und ungestört. Und mit dem 565er sind es sechs Stationen.«
Er geht wieder zurück, das Mädchen schließt die Gittertür zu, grüßt noch einmal scheu. Die Amsel sitzt immer noch neben dem Scheinwerfer, wippt, hinter dem Wall sind dumpf Autos zu hören. Vom Parkplatz kommt man hier ohne Probleme dran, und hinter den Zaunelementen sieht dich keiner. Die letzen drei Jahre kein Einbruch, sagt Ernst, ein Wunder.
»Idealer Ort. Dunkel, verdeckt, nachts nichts los, problemlos zu erreichen, keine Wohnbebauung, also auch keine Hundehalter oder Spaziergänger.«
»Aber manchmal litauische Lkw-Fahrer.« Er hebt den Zeigefinger.
»Ja, könnte tatsächlich unser Topzeuge werden.«
»Kunz hat nach Aussagen der Reinigungskräfte definitiv am 19. 10. noch nicht hier gelegen, muss also in der Nacht zum 20. 10. hier abgelegt worden sein. Wenn sich unser Fahrer nicht im Datum vertut und er in der Nacht das hier beobachtet hat, würde ich einiges drauf verwetten...« Er steigt ein. »Jetzt noch grad zu meiner alten Wohnung.«
»So weit draußen hast du gewohnt.«
»Als ich damals aus Berlin kam, war so schnell nichts anderes zu kriegen. Ist auch preiswert, aber näher dran ist schon besser.«
Am Fahrradständer eine junge Türkin, steigt auf, die Haare wehen. Etwas hellere Haut als Ayse. Ayse, Ayse. Sah unglaublich aus, gestern Abend. Die indische Mutter sieht man doch deutlich, gar nicht mehr richtig in Erinnerung gehabt, was sie für eine Schönheit ist. Hat sich kaum verändert, bisschen älter geworden. Könnte jetzt so Ende zwanzig sein. Ende zwanzig, immer noch jung, sehr jung. Dieses Lachen. Aber so kleine Spielchen macht sie gerne, war damals schon so. Hier mal ein bisschen testen, da mal etwas ärgern. Manchmal nicht draus schlau geworden aus der Frau.
Ernst setzt den Blinker, fährt rechts in eine Einfahrt.
»Zweiter Stock. Du kannst auch hier warten, gehe ich zweimal.«
»Ernst...!«
Helles Treppenhaus, er schließt auf, es klingt leer. Große Fensterfront zum
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